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Kino: Muff bei Muttern

Der Film "Frei nach Plan" von Franziska Meletzky vereint lebenshungrige Frauen mittleren Alters, die für die Lust auf etwas Romantik ihre Freundschaft aufs Spiel setzen.

Wettin zum Beispiel. Malerisches historisches 2000-Seelen-Nest an der Saale. Fachwerkhäuser am Hang, gemächlich zieht der Fluss vor sich hin. Muss schön sein, hier Kind gewesen zu sein. Nicht ganz so schön, als Erwachsener zurückzukommen, und sei es nur für ein Familienfest. Und ganz sicher gar nicht schön, den Absprung nie geschafft zu haben, und immer noch daheim bei Mama zu leben, wo der Muff in den Tapeten hängt.

Verschiedene Schwundstufen der Freiheit verkörpern die Schwestern Iris, Anne und Marianne. Alle in mittlerem Alter, alle mehr oder weniger verhärmt, sind sie einander eher ähnlich als unähnlich, der Unterschied liegt im Detail. Im Übergang von grobem Wollpullover über Cashmerejacke zum Dekolleté. Oder in der Lippenstiftfarbe von gar nicht über dezent bis knallrot. Doch etwas Zukurzgekommen-Lebenshungriges haben sie alle, und werfen sich in leidenschaftliche Küsse mit fremden Männern, sei es der Monteur oder der Mann der Schwester.

Ein Paradeplot für das Schauspielerinnentrio Corinna Harfouch, Dagmar Manzel und Kirsten Bloch. Dazu Christine Schorn als Mutter, die morgens betrunken über der Kloschüssel hängt, herrisch nach Tochter Iris (Corinna Harfouch) ruft, und dann am Abend strahlt und funkelt, als Regisseurin der örtlichen Theatertruppe. Kein Wunder, dass Lieblingstochter Anne (Dagmar Manzel) Sängerin geworden und mit ihrer Band gescheitert ist. Der Traum und die Realität klaffen manchmal schmerzlich auseinander. Keiner weiß das wohl besser als diese Schauspielerinnen, die allesamt vom Theater kommen und in deutschen Fernsehgefilden ihr Auskommen gefunden haben.

Es ist ein subtiles Spiel von Kontrolle und Ausbruch, das sich in diesem Frauenkräfte-Parallelogramm abspielt. Nach Plan, oder auch nur „Frei nach Plan“ verläuft gar nichts, erst recht nicht am Geburtstag der Mutter, an dem die Erwartungen ebenso implodieren wie die alten Ressentiments. Franziska Meletzky, Absolventin der Potsdamer Filmhochschule „Konrad Wolf“, hatte schon mit „Nachbarinnen“, ebenfalls mit Dagmar Manzel, die Abgründe zwischen Freundschaft und Konkurrenz, Nähe und Abhängigkeit zwischen zwei Frauen ausgelotet. In „Frei nach Plan“ steigert sie das noch und stößt an Grenzen. Es liegt etwas bleiern Freudloses über dem Film, das den Verdacht nährt, dass die Regisseurin zu sehr die Kontrolle behalten hat, wie die älteste Schwester Iris. Etwas mehr Witz und Lebensfreude hätte man diesen Powerfrauen zugetraut.

Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento, Neues Kant

Christina Tilmann

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