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© dpa

Kino: "Unter Bauern": Mensch, Menne!

Hätte Ludi Boeken seinen Fernsehfilm nicht einfach fürs Fernsehen machen können? „Unter Bauern. Retter in der Nacht“ ist genau wie sein Titel: ein wenig einfältig, überdeutlich und fingerzeigend.

Der Pferdehändler sieht aus, wie Pferdehändler eben aussehen. Ein wenig derb, mit tief eingegrabener Bauernschläue um die Mundwinkel: Armin Rohde. Kein Mann für schöne Frauen. Aber seine ist bemerkenswert schön: Veronica Ferres. Dieser Siegmund muss sehr erfolgreich sein, und warum sollte der Name eines Juden nicht der germanischen Mythologie entstammen, hat nicht auch er auf dem Feld der vaterländischen Ehre gestanden? Kein Vierteljahrhundert ist das her.

Siegmund also, Menne genannt. Und nun sollen er und seine Familie deportiert werden. Menne hat wie seine Pferde ein gutes Gespür dafür, wann es Zeit ist, den Stall zu verlassen. Wohin? Natürlich zu denen, die man kennt: zu seinen Kunden, den Bauern. Mensch, Menne!, sagen sie und schlagen ihm auf die Schulter.

Ludi Boeken ist bereits mit „Britney, Baby, One More Time“ aufgefallen. Hätte er seinen Fernsehfilm nicht einfach fürs Fernsehen machen können? Dann wäre nicht alles gut gewesen, nein, das nicht, aber es wäre in Ordnung. Einem Fernsehfilm darf man bloße Bebilderung zum guten Zweck nicht vorwerfen. Einem Kinofilm muss man sie vorwerfen. „Unter Bauern. Retter in der Nacht“ ist genau wie sein Titel. Also ein wenig einfältig, überdeutlich, fingerzeigend.

großes Unentschieden zwischen dörflicher Idylle und Idiotie des Landlebens

Vielleicht ist das die Gefahr einer wahren Geschichte. Von westfälischen Bauern versteckt, überlebte die Tante des verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Marga Spiegel ist heute 97 Jahre alt. Die Namen ihrer Retter stehen in Yad Vashem. Bäurisch ist also nicht nur die Ordnung von Blut und Boden? Eine schöne Nachricht ist das, aber wohl eher eine, die man vor der Geschwätzigkeit der Bilder in Schutz nehmen sollte.

Bauern reden nicht viel. Und ihr Sinn fürs Elementare kann erstaunlich sein. Mensch, Menne! Man war nicht gemeinsam im Krieg, und dann lässt man ihn abholen. In der Stadt schaut man einander nicht so an, dort wohnen die vorsätzlich Fremden. Vielleicht erklärt das etwas von der erstaunlichen Tatsache, dass einfache Landmenschen für Fremde Haus, Haut und Hof riskiert haben. Dabei ist es auf dem Dorf viel schwerer, Menschen verborgen zu halten. Und die größte Gefahr sind die eigenen Kinder der neuen, braunen Zeit. Und doch, auch diese Spannung, dieser doppelte Boden trägt nicht. Zu ausgemalt wirkt das alles im großen Unentschieden zwischen dörflicher Idylle und Idiotie des Landlebens. Und in der Mitte Veronica Ferres als schönste Melkerin weit und breit.

- Cinemaxx, Kulturbrauerei, Zoo-Palast

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