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Schubert

© Kinowelt

Komödie: Die bewegte Hausfrau

Kaum kommt sie in den Westen, findet da auch noch 1968 statt: die Komödie "Friedliche Zeiten".

Wer leidet, möchte wenigstens eins: bemerkt werden. Doch es gibt Leidende, die bemerkt kein Mensch. Hausfrauen zum Beispiel. Den ganzen Tag allein zwischen vier Wänden, eingesponnen in eine Arbeit, die keinen Anfang und kein Ende hat. Wie Irene Striesow im Film von Neele Leana Vollmar. Aber was ist mit einer soeben in den Westen geflohenen Hausfrau Ost? Einer wie Irene Striesow. Müsste die nicht glücklicher sein?

Vielleicht denkt, wer „Friedliche Zeiten“ sieht, zum ersten Mal daran, dass es fast nie Gleichfliehende gibt. Es gibt vielmehr einen Hauptfliehenden (wie Irenes Mann: Oliver Stokowski) und einen Mitfliehenden (die unpolitische Irene: Katharina Schubert). Wer aber gar nicht erst in den Westen wollte, hat es natürlich viel schwerer, dort anzukommen. Und dann findet da auch noch 1968 statt.

Irene Striesows ‘68 sieht so aus: Die Nachrichten aus Prag versetzen sie in Panik; sie schafft es nach sieben Jahren in der Kleinstadt West zum ersten Mal, ihre Nachbarinnen einzuladen. Es genügt, Zeuge dieses Kaffeetrinkens zu sein, um zu begreifen, warum ’68 unvermeidbar war. Ihr Mann probiert inzwischen die etwas freiere Liebe aus. Und die Kinder beschließen: Nur ohne Papa kann Mama wieder glücklich werden!

Es ist in der Tat eine unwiderstehlich skurrile Idee, vor dem Zeithintergrund eines ungeheuren Aufbruchs die Geschichte einer depressiven Hausfrau Ost im Nirgendwo zu erzählen, die noch jung genug – und schön genug – wäre, um mit aufzubrechen. Eine skurrile Idee schon, aber leider nicht die von Regisseurin Neele Leana Vollmar, die mit „Friedliche Zeiten“ ihren zweiten Spielfilm nach „Urlaub vom Leben“ (2004) gedreht hat. Der zweite Film und ganz aus zweiter Hand.

Das Original stammt von Birgit Vanderbeke, 1956 in Dahme, Brandenburg, geboren, 1961 nach Frankfurt am Main geflüchtet. Demnach wurde die Autorin 1968 zwölf Jahre alt – genau wie Irenes älteste Tochter Wasa. Die hat noch zwei Geschwister. Und aus der Perspektive der Kinder, deren Mitschüler sich wundern, warum sie Deutsch und nicht Russisch sprechen, wenn sie doch aus dem Osten kommen, sind Buch wie Film erzählt. Das macht den Charme des 1996 erschienenen Romans aus und wird schließlich zum Verhängnis des Films, der trotz sieben Drehbuchfassungen ohne seine minderjährigen Off-Erzählerinnen in Einzelteile zerfallen würde.

Auch können die Bilder – verräterisch genug – fast nie mit der Originalität der StriesowTöchter-Kommentare mithalten. Statt ihre eigene Geschichte zu erzählen, sinken die Szenen herab zu bloßer Bebilderung. Und irgendwann ist die Frage da, die uns im Kino besser nicht durch den Kopf gehen sollte: Warum sehe ich das eigentlich?

Die Antwort lautet: Wegen der Bebilderung! Denn die ist immerhin bemerkenswert. Allein die feine Skala der Brauntöne in der Wohnung der Striesows zwischen gedämpft-optimistischem Nussbraun und depressivstem Erdbraun. Ohnehin fragt man sich, wie es den Menschen der sechziger Jahre in so vielen Fällen gelingen konnte, ihre Wohnungen zu überleben.

Warum kann die Seele nicht dort sein, wo der Körper ist? Vielleicht ist Irene in ihrer Weltangst die größere Realistin. Katharina Schubert spielt die noch vom Krieg traumatisierte und vom Kalten Krieg tief erschreckte Frau mit einer stillen Intensität, die eine schöne Balance zwischen Komik und Tragik hält. Nur leider tut sie das wie alle anderen in einem seltsam luftleeren, ziellosen Raum. So sind die „Friedlichen Zeiten“ für eine Tragikomödie weder tragisch noch komisch genug.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Moviemento, Colosseum, Zoo Palast

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