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Langzeitdokumentation: Wohlfühlarbeit bis zum Umfallen

Geformt, genormt: Carmen Losmann zeigt in ihrer Langzeitdokumentation "Work Hard, Play Hard", wie man Menschen gefügig machen kann - wenn man ihnen eine schöne Arbeitswelt vorgibt.

Von David Ensikat

Ein merkwürdiger Titel, "Work Hard, Play Hard". Sie spielen nicht in diesem Dokumentarfilm, sie tun nur manchmal so. Und die Arbeit, um die es geht, soll sich auf keinen Fall hart anfühlen. Schön soll sie sein, die Leute dort sollen sich gut fühlen mit ihr – um umso härter arbeiten zu können.

Schöne neue Arbeitswelt: keine Fließbänder, nur Büros, lichtdurchflutet, die Farben freundlich, auf jedem Stockwerk eine Teeküche. Die Angestellten sollen sich dort treffen und unterhalten, gern auch außerhalb der Pausenzeiten. Denn Pausenzeiten gibt's sowieso nicht mehr: Der gute Arbeitgeber weiß, dass der gute Arbeitnehmer von der Arbeit gar nicht lassen kann. Dass ihm die besten Arbeitseinfälle eher in der Teeküche kommen als am Schreibtisch.

Die Leute lieben es, Teil eines "Teams" zu sein, gemeinsam was zu schaffen. Also zahlt ihnen ihr Chef ein Teamtraining, das sich anfühlt wie ein großes Spiel. Im Klettergarten zwischen Bäumen hangeln! In dunklen Gängen Abenteuer erleben! Hinterher mit netten Trainern drüber sprechen: Wo hat's gehakt, wo habe ich der Gruppe gutgetan, wo die Gruppe mir, was kann ich ändern, was muss ich ändern.

Ein Gespräch mit freundlichen Personalberatern, die wissen möchten, wo man seinen Platz im Unternehmen sieht. Sie sind klug, viel klüger als man selbst. Sie sagen, wo Stärken und wo Schwächen sind. Sie helfen. Mir und meiner Firma. Alles wird immer besser.

Davon handelt dieser Film, das Debüt der 34-jährigen Carmen Losmann. Ein Dokumentarfilm mit bunten, aufgeräumten Bildern, mit motivierten Menschen, die alles immer besser machen. Ein Film in großen Totalen – und ein Film über einen ökonomischen Totalitarismus, gegen den die politischen Totalitarismen des vergangenen Jahrhunderts lächerlich und vergeblich wirken. Es geht darum, die Seelen zu erreichen, Menschen gefügig zu machen, sie in ein System zu zwingen. Je weniger sie das als Zwang erleben, desto zwingender wirkt die Sache. Was ist denn Zwang? Bunte Büros? Gute Gehälter? Mobile Computer? Gleitzeiten? Motivationstrainings im Klettergarten?

Suggestiver kann ein Film kaum sein.

Carmen Losmanns Langzeitdoku über den Alltag in großen deutschen Unternehmen kommt ohne Kommentar aus, scheinbar. Doch suggestiver kann ein Film kaum sein. Er zeigt überwiegend willige, lächelnde Menschen in schlimmen Situationen. Ein junger Mann sagt nach dem Klettertraining stolz: "Ich werde demnächst noch mehr kommunizieren – was dann heißt: Mehr Umsatz!" Die Mitarbeiterin eines Solarunternehmens sitzt den Personalberatern gegenüber und lacht vor Anspannung ganz hysterisch. Ein anderer gibt sich derart streberhaft, dass einem speiübel werden will.

Anders als in den untergegangenen Zwangssystemen geht es nicht um "Volk" und "Frieden". Heute sind die Phrasen englisch, und Firmenchefs rufen: "Wir sind Unilever! Go for it!", und an den Wänden leuchten riesige Werbetafeln: "Drink positive". Es gibt aber auch Momente, da stockt die Effizienzmühle, etwa bei einer Mitarbeiterversammlung der Deutschen Post AG. Eine Frau erläutert Abteilungsleitern das "Lean" genannte "Change Management Programm". Es soll, sagt sie, "kulturelle Veränderungen in die DNA jedes Mitarbeiters verpflanzen". Darauf ein Teilnehmer: "Der Gedanke, sich selbst wegzurationalisieren, kann ja beim Mitarbeiter Nervosität auslösen."

Oder eine andere Teambesprechung. Beginn eines langen Bildschirmarbeitstages. Der Abteilungsleiter schaut in leere Gesichter. "Wie geht's?" Eine Mitarbeiterin antwortet müde: "Gut." – "Und wie ging's gestern?" – "Besser." – "Wieso?" – "Weil ich nicht da war." – "Wie können wir das ändern?" – "Indem wir mehr Leute einstellen."

Eiszeit, Filmkunst 66, Hackesche Höfe, Lichtblick, Tilsiter Lichtspiele

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