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Wechselspiele. Als Joanna (Keira Knightley) ihrem Mann zu misstrauen beginnt, hält sie sich an Ex-Lover Alex (Guillaume Canet).

© NFP

Liebesgeschichte: Wo es wehtut

Allzu süß: So viel Charme, so viel Verständnis in all den Liebeswirren in "Last Night" von Massy Tadjedin.

Wenn der Verdacht erst mal da ist, lässt er sich kaum wieder aus der Welt schaffen. Vor allem, wenn er ausgesprochen wurde. Joanna (Keira Knightley) glaubt, einen vertrauten Moment zwischen ihrem Ehemann Michael (Sam Worthington) und seiner attraktiven Kollegin Laura (Eva Mendes) beobachtet zu haben. Das junge Ehepaar streitet sich – ausgerechnet an einem Abend, bevor Michael mit Laura auf Dienstreise geht. Kaum ist Michael abgereist, taucht Alex (Guillaume Canet), Joannas ehemaliger französischer Liebhaber, in New York auf, und die Dinge nehmen ihren Lauf. Wo der Verdacht schon einmal da ist – warum der Versuchung überhaupt noch widerstehen?

Zwei Paare in amourösen Verwicklungen, eine geläufige Versuchsanordnung, die sich alsbald entspinnt – eigentlich folgt „Last Night“ einer typischen Komödienstruktur. Doch Regisseurin Massy Tadjedin verbannt den Humor gleich ganz aus ihrem Film. Denn egal, was kommt, am Ende wird nichts mehr so sein, wie es mal war.

Tadjedin verzichtet auf eine Typisierung ihrer Figuren: Es gibt hier nicht den zu Recht Gehörnten, nicht den lächerlichen Schürzenjäger, auch nicht den gefährlichen Verführer. Es gibt aber auch nicht das edle Paar, das eigentlich zusammengehört, aber nicht zusammenkommen darf, weil anderweitig gebunden. Stattdessen nimmt der Film alle Figuren gleich wichtig: Sie sollen allesamt gemocht und – vor allem – verstanden werden. Das Ziel ist klar: Bloß keine beruhigende Katharsis am Ende, keine Schlussmoral, keine Ordnung, in die das Aufgewühlte wieder zurückgeholt werden kann. Es tut nur weh, sonst nichts.

Das ist ein interessantes Anliegen, und es gibt bereits einen Film, dem etwas Ähnliches ganz ausgezeichnet gelungen ist: Mike Nichols’ schmerzhaft präzises Drama „Hautnah“ von 2004. Wenn man aber weder Komödie macht noch echtes Drama, wird’s schwer, aus der Liebe Funken zu schlagen – und leider scheitert Tadjedin genau daran. Alles ist hier so nett und ausgeglichen, so sorgfältig aufbereitet und hübsch ausgeleuchtet, dass man sich bald zu langweilen beginnt.

Die im Iran geborene Drehbuchautorin wollte in ihrem Regiedebüt offensichtlich nicht die aufwühlende Konfrontation, wie sie „Hautnah“ kennzeichnet: Stattdessen sollen die Dialoge perlen wie bei Eric Rohmer, wobei sich der Film zugleich als melancholisches Stimmungsstück gefällt. Leider sind sie eher einfältig geraten – und wenn man sich andererseits atmosphärisch Wong Kar Wais „In the Mood For Love“ zum Vorbild nimmt, dann braucht man auch dessen Gespür dafür, in welche Momente es sich zu versenken lohnt – und in welche nicht.

Erfrischend immerhin, dass die beiden Frauen nicht in die Opferrolle gedrängt werden. Joanna und Laura sind die eigentlich Handelnden, und vor allem Keira Knightley gelingt es zwischendurch, so etwas wie Interesse und Mitgefühl zu wecken. Aber muss das zwangsläufig dazu führen, dass nun die Männer zu Wunschbildern geraten? So viel Charme, so viel Verständnis, so viel sonor vorgetragenes Einfühlungsvermögen! Es ist der pure Kitsch.

Dass das Ende von „Last Night“, zwar hübsch offen, recht konservativ ausfällt, ist nicht weiter schlimm. Es ist ja fast unmöglich geworden, eine Liebesgeschichte zu erzählen, ohne Rollenbilder zu bedienen. Ein Film wie dieser aber muss entweder schweben oder Gewicht entwickeln. „Last Night“ gelingt weder das eine noch das andere.

In sechs Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center

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