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Michelangelo Antonioni

© AFP

Michelangelo Antonioni: Mit "Blow up" zu Weltruhm

Die Unfähigkeit zu echter Liebe, die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen - das waren die großen Themen von Michelangelo Antonionis Filmen. Ein Porträt des verstorbenen Regisseurs.

Seine bevorzugte Tageszeit war die Dämmerung, seine Themen hießen Einsamkeit, innere Leere und Entfremdung. Und ob seine Filme ein Kassenschlager wurden oder ein Flop, war Michelangelo Antonioni stets ziemlich egal. "Regisseur für wenige", nannte er sich einmal selbst, als "Analytiker der Seele" feierten ihn Kritiker. Dem breiten Publikum wurde der Italiener aus Ferrara vor allem durch den Thriller "Blow up" bekannt. Am Montagabend starb Antonioni im Alter von 94 Jahren in Rom - er war einer der größten und eigenwilligsten Regisseure der Nachkriegszeit.

"Alles wird bei ihm doppelbödig und unheimlich", sagte ein Kritiker einmal. Antonionis Filme haben Sprünge und Lücken, seine Welt ist in der Schwebe, die Handlungsstränge seiner Geschichten lösen sich häufig auf und verlieren sich. Alles bleibt vage - selbst in seinem Welterfolg und Kassenschlager "Blow up" (1966) gelingt ihm das.

Tennis ohne Ball

Vordergründig passt der Streifen mit David Hemmings und Vanessa Redgrave gar nicht zu Antonioni: Der Film spielt im "Swinging London" der Popkultur, filmisch ist er eher konventionell, und auf den ersten Blick handelt es sich vornehmlich um eine spannende Geschichte: Ein junger Fotograf hat den schrecklichen Verdacht, durch Zufall einen Mord aufgenommen zu haben. Doch je mehr er dem Fall nachgeht, desto geheimnisvoller wird es: Beweise verschwinden, die ganze Sache verflüchtigt sich - die Schlussszene ist ein Tennisspiel ohne Ball. Am Ende fragt sich der Zuschauer, ob nicht alles Illusion war - typisch Antonioni. 1967 bekam "Blow up" die Goldene Palme in Cannes, der Streifen wurde zum Kultfilm der Popkultur.

"Unser Drama ist die zunehmende Vereinsamung und die Unfähigkeit zu echten Gefühlen. Dieses Drama beherrschte alle meine Figuren", sagte Antonioni einmal. Zum Beispiel "Zabriskie Point" (1970), eine Liebesgeschichte in den Zeiten der amerikanischen Studentenproteste, die in der Verlorenheit der kalifornischen Wüste endet. Abschluss und Höhepunkt ist die Explosion eines Luxusbungalows in Zeitlupe - die Zerstörung des amerikanischen Traums, auch das ein Kunstthema der damaligen Zeit.

Geheimnis, Erotik, Gesellschaftskritik

Geboren 1912 als Sohn eines Gutsbesitzers in Ferrara, hatte die Landschaft der Poebene prägende Kraft: Der häufige Nebel, das milchige Licht, das die Konturen aufweicht und vieles zerfließen lässt, faszinierten Antonioni. "Gente del Po" (Die Leute vom Po) hieß denn auch sein erster Dokumentarfilm aus dem Jahr 1947. Seine Arbeiten durchziehen ein seltsame Mischung aus Geheimnis, Erotik und Gesellschaftskritik, Antonioni selbst nannte sich einmal einen "marxistischen Intellektuellen".

Die Unfähigkeit zu echter Liebe, die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen - das waren die großen Themen Antonionis von Beginn an, etwa in "Chronik einer Liebe" (1950), seinem ersten abendfüllenden Spielfilm. In dem Streifen plant eine Liebespaar, den Ehemann der Geliebten zu töten. Zwar ist der Ehemann wenig später tatsächlich tot, ob es Mord war oder nicht, bleibt aber in der Schwebe. Den großen internationalen Erfolg brachte "Die Nacht" (1961), mit Jeanne Moreau und Marcello Mastroianni, über das traurige Ende einer Liebe im Großstadtdschungel.

An den Rollstuhl gefesselt

Seit seinem Schlaganfall Mitte der 80er Jahre konnte Antonioni nicht mehr sprechen. Er war an einen Rollstuhl gefesselt und konnte nur noch mühsam mit der linken Hand kommunizieren. Trotzdem führte er 1995 nochmals Regie, "Jenseits der Wolken" hieß der Episodenfilm, Wim Wenders half dem alten Mann dabei. "Ein Film über die Sehnsucht nach Liebe, über das, was alle wollen und nicht finden", ließ der Maestro mitteilen. Sein letzter Streifen hieß "Eros", das war 2004, und wieder ging es um eine zerrüttete Beziehung, ein Paar im mittleren Alter, der Mann geht mit einer Jüngeren fremd. "Ich habe immer dieselben Filme gemacht", bekannte der publikumsscheue Antonioni später einmal. "Krankheit der Gefühle", nannte er sein Thema.

Peer Meinert[dpa]

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