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Richard Widmark

© dpa

Nachruf: Schön fies - Hollywood-Star Widmark ist tot

Vom faszinierenden Schurken zum soliden Gesetzeshüter: Der Hollywood-Star Richard Widmark starb mit 93 Jahren.

War das frühe Kino wirklich so unschuldig, wie Nostalgiker behaupten? Setzten wirklich erst die Filme der sechziger Jahre – „Psycho“, „Bonnie und Clyde“ oder „The Wild Bunch“ – neue Maßstäbe in puncto Gewalt? Immerhin blieben bis dahin die Körper intakt, dem Publikum wurden hässliche Details erspart. Es sollte unterhalten und nicht abgestoßen werden.

Dabei brachte schon 1947 ein unbekannter Darsteller namens Richard Widmark die heile Hollywoodwelt durcheinander, indem er etwas Unerhörtes tat. Als Auftragskiller Tommy Udo in Henry Hathaways „Der Todeskuss“ soll er einen Komplizen zur Rede stellen, der als Polizeispitzel verdächtigt wird. Der Komplize ist nicht zu Hause, nur dessen gebrechliche Mutter, die im Rollstuhl sitzt und nicht weiß, wo ihr Sohn ist. Tommy Udo schiebt sie ins Treppenhaus – und tritt gegen den Rollstuhl. Während sie schreiend in die Tiefe stürzt, wirft er den Kopf in den Nacken und lacht.

Filmsoziologen haben einen Zusammenhang zwischen den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der härteren Gangart im Nachkriegskino ausgemacht. Dennoch blieb der Psychopath Tommy Udo vorerst ein Einzelfall. Widmark hatte keine Lust, auf neurotische Fieslinge festgelegt zu werden, wechselte ins Heldenfach und spielte überwiegend in Western, Kriegs- und Spionagefilmen. 1953 kam er sogar nach Berlin, für den Thriller „Kennwort: Berlin-Tempelhof“, ein interessantes Nebenwerk mit farbigen Aufnahmen der geteilten Stadt.

Komödien und Liebesfilme lagen ihm weniger: Dass kein Doris-Day-Film so unbekannt blieb wie „Babys auf Bestellung“ (1959), mag an der fehlenden Chemie zwischen ihr und Widmark liegen. Er kämpfte lieber an der Seite von Gary Cooper („Der Garten des Bösen“, 1954), John Wayne („Alamo“, 1960) und James Stewart („Zwei ritten zusammen“, 1961), und da er ursprünglich Jurist werden wollte, passte ihm die Rolle des Anklagevertreters in „Das Urteil von Nürnberg“ (1961) wie angegossen. Nach dem tabubrechenden Debüt eine überraschend glatte Karriere.

Den Weg vom faszinierenden Schurken zum soliden Gesetzeshüter könnte man als Abstieg in den Ruhm werten. Anders als andere neurotische Nachkriegshelden wie Kirk Douglas oder Marlon Brando vermied Widmark größere Risiken; dennoch blieb immer ein Hauch von Nervosität und Sadismus im Spiel. Der Mann, der 55 Jahre mit derselben Frau verheiratet war, der weder trank noch sich prügelte – er sah noch als Gesetzesvertreter so aus, als könne er jederzeit die Geduld verlieren und gewalttätig werden.

Seine letzten wichtigen Rollen: das unsympathische Opfer in „Mord im Orient-Express“ (1974), ein gewissenloser Arzt in „Coma“ (1978) und ein ebenso harter wie herzlicher Sheriff in Volker Schlöndorffs „Aufstand alter Männer“ (1987). Richard Widmark, der nach dem Tod seiner Frau die Witwe von Henry Fonda geheiratet hatte, ist am Ostermontag mit 93 Jahren gestorben.

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