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Neu auf DVD: Vermächtnis aus Bildern

"Das Opfer" - Andrej Tarkowski letzter Film: Diese wunderbare Langsamkeit. Der Menschen. Der Kamera. Der Szenen. Der inneren und der äußeren Bewegungen, wie sie anheben und abebben, wie sie sich ineinander spiegeln auch. Aufblende, Abblende, Wimpernwand. Als ob das Auge, das ermüdliche, sich erholte in diesen Bildern für das Sehen.

Das Opfer Regie: Andrej Tarkowski (absolutMedien, 2 DVDs)

Damit fängt es an, unmerklich. Aber da bist du schon gefangen von einem Universum zwischen sogenannter Wirklichkeit und sogenannten Träumen, hin und her wie von einem Haus am See ins Freie und zurück, schwellenlos fast, ein Haus wie das Haus in „Opfer“ – warum nicht? Oder du gehst auf Sandwegen, die für schaukelnd radfahrende Postboten gemacht scheinen, und der Blick schweift von einer langen Einstellung in die nächste. Eine Geschichte wird erzählt, aber ja, aber jetzt kommt erst mal das Sehen. Der Baum. Der Vater. Das Kind. Der Vater, der mit dem Kind den verdorrten, wurzellosen Baum hinstellt, doch doch, dieser Baum wird eines Tages zu wachsen beginnen. Der Sohn wird ihn täglich wässern, wenn der Vater alle und alles verlassen hat und das Haus am See angezündet. Auch das: zuerst ein Bild, ein einziges Schweifen in sechs langen Minuten, was für ein Abschied von Tarkowskis letztem Film.

Das Opfer: ein Pakt, den nicht Faust mit dem Teufel, sondern Alexander mit Gott abschließt und allein. Zum ersten Mal überhaupt betet er, betet, weil ein Atomschlag alles Leben auszulöschen droht; und damit das ungeschehen sein möge, schenkt Alexander alias Erland Josephson diesem Gott alles, was er hat, gibt es weg, blanko, Frau und Kind und Liebe. Ist das ein Plot? Ist es ein Wahnsinniger oder ein fortan verstummt Erleuchteter, den der Krankenwagen schließlich wegfährt vom brennenden Haus?

Es gibt auch eine äußere Zeit, von sehr außen heranzutragen. 1986, kurz vor Cannes, wo „Opfer“ preisgekrönt wurde, war Tschernobyl. Und 1986, im Dezember, starb Tarkowski an Krebs. Eine Endzeit, die sich in der anderen spiegelt und in der vorweggenommenen Unendlichkeit des Filmes zur Ruhe kommt. Auf der schön ausufernden Bonus-DVD – Tarkowskis Cutter Michal Leszczylowski stellte das Porträt 1988 für das Schwedische Filminstitut zusammen – ist der Regisseur beim Dreh auf Gotland zu sehen, aus dem Off sind Passagen aus seinem filmpoetischen Vermächtnis „Die versiegelte Zeit“ hinzugefügt, und das einzige Interview, Tarkowski raunt von der Kamera weg wie in einen klaren Waldbach hinein, ist von sonstwoher hinzugeschnitten. So lebt er fort, der größte Dichter unter den Filmemachern: nah und entrückt, ein Zauberer, seinem letzten Helden nachgereist. Jan Schulz-Ojala

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