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Phantomschmerz: Rad und Rollstuhl

Til Schweiger wird in „Phantomschmerz“ ernsthaft – mit Erfolg. Er spielt einen Radrennfahrer, der bei einem Unfall ein Bein verliert.

„Phantomschmerz“ hieß zuletzt ein Musikalbum. Das war nicht mehr als ein schlechter Scherz von Sänger Sven van Thom, der seine Musik für „das uneheliche Kind von Indie und Schlager“ hält. „Phantomschmerz“ heißt jetzt der neue Film mit Til Schweiger. Was zunächst wie ein Klon von Mutmacherkomödien à la „Knockin’ on Heaven’s Door“ aussieht, entpuppt sich als durchaus neu.

Am Anfang zwar ist alles wie gehabt: Schweiger gibt den unzuverlässigen Scheidungs-Daddy, der den Unterhalt für seine Tochter nicht zahlen kann und die Frauen so häufig wechselt wie seine Jobs. Dass der Protagonist leidenschaftlicher Radrennfahrer ist, gibt Schweiger die Gelegenheit, Hintern in der Hose zu zeigen. Zudem sorgen die Liebesszenen dafür, dass sein Oberkörper gut in Szene gesetzt wird. Dabei ist der muskulöse Typ eigentlich ein ganz Lieber.

Im Gegensatz zum üblichen Muster, in dem sich die Frau in das Kind im Macho verliebt, muss der diesmal erwachsen werden. Das dürfte daran liegen, dass Schweiger nicht wie bei seinen letzten Filmen „Keinohrhasen“ oder „1 ½ Ritter“ selbst das Drehbuch schrieb und Regie führte. Beides übernahm diesmal Altproduzent und Regieneuling Matthias Emcke. Durch sein Zutun erfährt der geradlinig angelegte Komödienplot eine Wendung ins Ernsthafte. Zwar gibt es sie, die unbeschwerten Szenen, in denen Marc alias Schweiger mit Filmpartnerin Jana Pallaske Modellflugzeuge kreisen lässt. Aber die Doppeldecker stürzen ab und brechen sich die Tragflächen. Marc hat einen Verkehrsunfall, bricht sich die Rippen – und verliert ein Bein. Mit den üblichen Rezepturen und dem Gerede, dass die Liebe alles heilt, sind derlei Wunden nicht zu behandeln.

Es wird sparsam inszeniert. Kein Überwältigungs-, bestenfalls Bewältigungskino. Überflüssige Dialoge und Bilder werden gemieden. Wenn es regnet, hört man die Tropfen ans Fenster schlagen, der Schnitt auf die Scheibe wird eingespart. Wenn von Fahrerflucht erzählt wird, bleibt die Leinwand schwarz. Es gibt nur eine lange Pause, dann quietschen die Reifen.

Die Krankenhausgeschichte allerdings wird auserzählt. Der schöne Schweiger ist unrasiert, sein Haar lang, das Gesicht schmerzentstellt. Man sieht den vernarbten Stumpf und den gebrochenen Mann, der im Krankenbett „Moby Dick“ liest. Es entsteht aber keine Rachegeschichte, keine Suche nach dem weißen Wagen, sondern das einfühlsame Porträt eines Mannes, der lernen muss, beim Gehen Hilfe anzunehmen und seinem Leben neuen Halt zu geben. Und Til Schweiger? Macht sich in dieser Rolle verblüffend gut. Den Radfahrer verkörpert er ebenso glaubwürdig wie den Rollstuhlfahrer. Matthias Emcke gelingt es, mit dem Inventar der deutschen Liebeskomödie eine Geschichte zu erzählen, die davon weiß, dass das Leben nicht immer fair ist.

Wer auf „1 ½ Ritter“ steht oder auf „Zweiohrküken“ wartet, muss den Film nicht anschauen. Wer aber einen anderen Til Schweiger sehen will, der sollte einen Frühsommerabend opfern und ins Kino gehen.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Treptower Park und Tegel, Colosseum, Cubix Alexanderplatz, Die Kurbel, Titania-Palast, Zoo-Palast

André Weikard

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