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''Stealing Klimt'': Die goldene Tante

Für Restitution ist es nie zu spät: Der Kunstkrimi "Stealing Klimt“ soll den Museen Angst machen, sagt die Regisseurin.

Sie waren eine der bekanntesten Familien Österreichs, fast so bekannt wie die Rothschilds: die Bloch-Bauers. Ein Drittel aller Zuckerfabriken Österreichs gehörten ihnen, im Wien um 1900 führten sie ein glanzvolles Gesellschaftsleben, verkehrten mit Malern und Musikern. Adele Bloch-Bauer, die wahrscheinlich glamouröseste Figur der Familie, wurde zweimal von Gustav Klimt gemalt, vielleicht hatte sie auch eine Affäre mit ihm. Die sinnlich geöffneten, vollen Lippen auf ihrem Porträt sprechen dafür.

„Adele Bloch-Bauer I“, die „Goldene Adele“, ist eins der berühmtesten Bilder der Welt. Auch eins der teuersten: Im Juni 2006 wurde es, nach einem aufsehenerregenden Prozess, bei Christie’s für 135 Millionen Dollar versteigert. Der neue Eigentümer, der österreichischstämmige Mäzen und Unternehmer Ronald S. Lauder, zeigt das Bild seitdem in seiner Neuen Galerie in New York.

Die Geschichte des Bildes, die Geschichte der Familie, vor allem die Geschichte des Rechtsstreits, der sich um dieses sowie vier weitere Klimt-Bilder zwischen der Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann und der Republik Österreich entspann, dokumentiert der Film „Stealing Klimt“ von Jane Chablani und Martin Smith. Eine Krimigeschichte, die mit einer großbürgerlichen Kindheit in Wien beginnt und mit Raubzügen der NS-Größen endet: In das Schloss der Bloch-Bauers bei Prag zog Heydrich ein, das berühmte Collier, das Adele Bloch-Bauer auf ihrem Bild trägt, landete bei Emmy Göring, und das Stradivari-Cello, das die Familie von den Rothschilds geliehen bekommen hatte, ist bis heute verschollen.

Chablani und Smith haben über sieben Jahre hinweg den Prozess verfolgt, mit Anwälten, Historikern und Beteiligten gesprochen und vor allem der Hauptperson, der bei Drehende 89-jährigen Maria Altmann, viel Raum gegeben. Raum, den die geistesgegenwärtige, gewitzte, sehr eindrucksvolle alte Dame zu nutzen weiß – hier wäre für ein Porträt sicher noch mehr zu holen gewesen. Stattdessen gibt es leider auch viel Streichmusik, die dröhnend über den Bildern liegt, und am Ende einen unnötigen Exkurs über die Einweihung von Rachel Whitereads Mahnmal gegen die Judenverfolgung in Wien.

Schon ungewöhnlich, der Aufwand, mit dem dieser solide recherchierte, aber nicht außergewöhnliche Dokumentarfilm nun ins Kino gebracht wird. Andererseits: Das Thema ist, nicht erst seit der Berliner Debatte um die Restitution des Kirchner-Gemäldes „Berliner Straßenszene“, das Thema der Zeit. Was den Berlinern ihr Kirchner, ist den Österreichern ihr Klimt. Und mit Ruhm bekleckert haben sich beide nicht in der öffentlichen Debatte um die Restitution. Die Vorwürfe gegen Erben und Anwälte tönten in beiden Ländern schrill, nicht selten auch antisemitisch. „Wer sich in Österreich darauf beruft, dass die Klimts Teil der nationalen Identität sind, sollte lieber überlegen, dass der Umgang mit der eigenen Vergangenheit mindestens ebenso sehr Teil der Identität ist“, mahnt die Kunsthistorikern Sophie Lillie im Film. Eine Auseinandersetzung über den Umgang mit der eigenen NS-Vergangenheit habe es in Österreich nach dem Krieg nicht gegeben, das Land sehe sich immer noch als Opfer, sekundiert auch die österreichische Historikerin Tina Walzer.

Der Klimt-Streit, so spektakulär er auch verlief, sei beileibe kein Sonderfall, erklärt der auf Restitutionsfragen spezialisierte Anwalt und Kunstdetektiv Clemens Toussaint schließlich bei der Diskussion zur Berliner Filmpremiere: Viele europäische Länder integrierten die von den Alliierten zurückerstatteten, von den Nationalsozialisten den jüdischen Eigentümern geraubten Kunstwerke flugs in die nationalen Sammlungen, statt sich auf die mühsame Suche nach überlebenden Erben zu machen. Auch Maria Altmann kam erst als 86-Jährige dank der Recherchen des österreichischen Journalisten Hubertus Czernin auf die Idee, die Bilder ihrer Tante zurückzufordern – ein Prozess, der schließlich 2006 vor dem Obersten Gerichtshof der USA für sie entschieden wurde. Ein Kampf zwischen David und Goliath: In wie vielen ähnlich gelagerten Fällen Erben vorher entmutigt aufgegeben haben mögen, kann man sich unschwer vorstellen. „Ich hoffe, dass Regierungen und Museen durch meinen Film ein bisschen Angst bekommen haben. Die bisherige Praxis ist nicht akzeptabel“, erläutert Chablani ihre Motivation. In Wien wird der Film nun bei der Viennale gezeigt – unweit des Belvedere, wo die Klimts bis 2006 hingen.

In Berlin ab heute in den Kinos Babylon Mitte, Cinema Paris, Hackesche Höfe

Christina Tilmann

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