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Bruce Willis

© ddp

Stirb langsam 4.0: Action im Alter

Vollglatze, Schulden, kaputte Ehe: Bruce Willis kämpft gegen den Jugendwahn. Doch er ist nicht allein. Rocky und bald auch Rambo kämpfen mit.

Actionhelden zeichnen sich durch zweierlei aus: Sie sind topfit und überleben garantiert. Das setzt einen jugendlichen Body voraus, bedeutet aber auch, dass der Kinofan die geliebten Muskelmänner der Achtziger irgendwann nicht mehr zu sehen bekam. Ein Rentner als Rambo, wie peinlich. Das war in den Neunzigern.

Inzwischen sieht die Sache etwas anders aus. Die alternde Gesellschaft, respektive die laut Statistik ja gleichermaßen alternde Kino- und DVD-Kundschaft hat reichlich Kaufkraft und womöglich ja Interesse an den ollen Kamellen. Obendrein soll es – siehe Frank Schirrmacher – schon unter den Mittvierzigern Leute geben, die sich vom Jugendwahn terrorisiert fühlen. Hilfe, wir sollen entsorgt werden: eine Befürchtung, die einen echten Helden die Flucht nach vorne antreten lässt. Anfang des Jahres stieg Sylvester Stallone (60) als „Rocky Balboa“ mit Arthritis im Nacken erneut in den Ring; 2008 kehrt er in „Rambo 4 – Die Perle der Kobra“ in den südostasiatischen Dschungel zurück und köpft als Gotteskrieger eigenhändig die bad guys. Harrison Ford (64) steht seit letzter Woche zum vierten Mal als „Indiana Jones“ vor der Kamera, und Bruce Willis ist auch schon 52: In „Stirb langsam 4.0“ trotzt er internationalen Cyber-Terroristen mit bloßen Fäusten und Feuerwaffen.

Es ist, als ob die Seniorensportler Schirrmachers „Methusalem-Komplott“ gelesen hätten. Sie lassen sich nicht aufs Altenteil abschieben und wollen es der Jugend im digitalen 21. Jahrhundert mal richtig zeigen, selbstbewusst, selbstironisch und mit den analogen Mitteln des 20. Jahrhunderts: Auch gegen smarte Cyber-Gangster kämpft Bruce Willis als John McClane mit purem Körpereinsatz und den – „Yippie-ya-yeah“ – bewährt coolen Sprüchen.

Schöne neue, vernetzte Welt. Was wäre, wenn die Computerzentralen, die die Ampelschaltung, das Börsengeschäft oder die Stromversorgung regeln, unter die Kontrolle von Terroristen gerieten? Der totale Blackout oder America under attack. Geschickt greift Len Wisemans „Die Hard“-Sequel die Terrorangst seit dem 11. September und die Skepsis gegenüber der US-Administration auf: „Der Katastrophenschutz hat fünf Tage gebraucht, um Wasser in den Superdome zu bringen,“ heißt es einmal. Gleichzeitig spekuliert der Film auf das Unbehagen, das jeden gelegentlich befällt, der im Alltag elektronische Geräte benutzt. Ein kleiner ProgrammAbsturz – und schlagartig wird man sich der Abhängigkeit von hochkomplizierter, undurchschaubarer Software bewusst.

Mit dem Bizeps gegen Bits und Bytes. Diese Sehnsucht ist en vogue. Schon Daniel Craig geriet als neuer Bond ins Schwitzen. Plötzlich musste 007, der Gentleman unter den Weltenrettern, gehörig ackern. Rocky Balboa straft mit Ganzkörpereinsatz im Boxring die TV-Computersimulation Lügen, die ihn als aufgedunsenen Ex-Champion gegen den amtierenden Weltmeister vorzuführen versucht. Und „Die Hard 4.0“ macht aus dem Duell zwischen virtuellen und physischen Kräften einen Generationenkonflikt.

Gleich zu Beginn gerät McClane an den jungen Hacker Farrell (Justin Long). Anders als der Alte kann Farrell zwar einen mit Voice-Order gesteuerten Wagen kurzschließen, hat aber keine Ahnung, wie man in eben diesem Wagen eine Verfolgungsjagd überlebt. Er kann weder rennen, noch weiß er, wie sich ein Adrenalinstoß anfühlt. Und von Creedence Clearwater Revival hat er auch noch nie was gehört. „Du siehst aus, als wärst du verletzt“, sagt er zu McClane. Und der kontert, dass gerade Blessuren Sexappeal haben.

Bruce Willis ist geradezu prädestiniert, den Realitätssinn – oder genauer: die Bilder, die wir uns von der sogenannten Wirklichkeit im Kino gern machen – in die Welt der Special Effects zu reinstallieren. Von Anfang an war sein McClane der Unterhemden-Cop mit Flugangst, ein Mann aus dem Volk. Und im Vorgriff auf „Stirb langsam 4.0“ trat Willis schon 2006 in Richard Donners Actionthriller „16 Blocks“ als abgewrackter, versoffener, todmüder New Yorker Polizist auf, mit schütterem Haar und schlurfendem Schritt. Nun trägt er Vollglatze über dem legendären Grinsen im Gesicht, hat Schulden bei der Bank, eine geschiedene Ehe und mürbe gewordene Knochen, ein Held wie wir.

Wie Bruce Willis selbst ist McClane auch zwölf Jahre nach „Die Hard 3“ ein wertkonservativer All American Guy, der eifersüchtig über die Affären der Tochter wacht. Dass er vorzugsweise in Fahrstuhlschächten und Kühltürmen herumturnt und zunehmend ramponiert durchs Geschehen humpelt, kennt man seit „Die Hard 1“ von 1988: ein Kerl aus echtem Schrot und Korn mit blutenden Wunden und Lebenserfahrung satt. Das ist allemal sympathischer als die stahlblau aseptische Moderne flimmernder Schaltzentralen, aus denen sich der Obergangster (Timothy Olyphant) und das FBI Programmiergefechte liefern.

Die Veteranen bringen die Schwerkraft ins virtuelle Zeitalter zurück. Wie Stallones Rocky Balboa plump an der Teppichstange baumelt, sich mühsam hochwuchtet und später im Ring wegen der Kalziumablagerungen in den Gelenken statt auf Schnelligkeit auf pure Power setzt, ist auch McClanes Action weniger virtuos, als dass sie bei den Materialschlachten Tonnengewichte ins Feld führt. So holt er beim Showdown einen Starfighter mit Hilfe eines Monster-Sattelschleppers und kilometerlang zusammenkrachenden Beton-Straßendecken vom Himmel. Fast liegt Patina über den Stunts: Bilder, die die „Feier des Altmodischen“ (Georg Seeßlen) zelebrieren.

Unverwundbar ist er nicht, aber zäh. Das hat McClane mit seinen zerknautschen Action-Kollegen gemeinsam. Man muss die politische Überzeugung des Republikaners Bruce Willis nicht mögen, mit der er sich mittlerweile zwar skeptisch zum Irakkrieg äußert, aber der Todesstrafe für Schwerverbrecher das Wort redet. Man muss es nicht goutieren, wenn McClane mit altbackenem Patriotismus pünktlich zum Independence Day die Tochter rettet und außerdem die gesamten Vereinigten Staaten. Man kann sich auch schütteln ob der Überlebensmoral der Ellbogengesellschaft, die da lautet: Es kommt nicht darauf an, wie heftig man zuschlägt, sondern darauf, wie sehr man einstecken kann. Nicht unterkriegen lassen!

Aber das Augenzwinkern der um sich schießenden Rentnercombo hat seinen Charme, wollen die Herren ihren Fans doch bedeuten: Es ist schon okay, dass wir nicht mehr die Jüngsten sind und mit unseren Hands, iPods und Navigationssystemen nicht immer klarkommen. Wir halten durch; wäre doch gelacht, wenn ihr es nicht auch bis zur Rente mit 67 schafft.

Pop, man kennt das von Lou Reed, Bob Dylan und Co., wird klassisch. Ähnlich basteln auch die Leinwandhelden der Siebziger und Achtziger am eigenen Nachruhm. Das Popcorn-Kino schreibt sich in den Kanon ein, wenn es längst abgeschlossene Trilogien in Epilogen recycelt und seine Protagonisten sich nicht mehr ironisch auf John Wayne oder Roy Rogers beziehen (wie Bruce Willis in „Die Hard 1“), sondern auf die eigene Vergangenheit. Das ist seinerseits auch nicht ganz neu: Selbstironische Comebacks erlaubten sich bereits Sean Connerys Bond sowie Mel Gibson und Danny Glover in „Lethal Weapon 4“. Aber die aktuelle Häufung des Phänomens verblüfft dann doch.

Arnold Schwarzenegger gab in „Terminator 3“ schon 2003 freimütig zu, er sei eine „veraltete Entwicklung“ und der schnelleren, effizienteren und intelligenteren Kampfmaschine TX nicht gewachsen. TX war eine Frau. Arnie ging, wie Ronald Reagan, in die Politik – wo Frauen jetzt auch noch Präsident werden wollen.

Okay, Blessuren sind sexy. Aber wie wär’s, statt mit Survival-Knochenarbeit, mal mit Gelassenheit? Im Internet kursiert das erste Foto vom „Indiana Jones“Set in New England. Steven Spielberg hat es geschossen. Harrison „Indie“ Ford flezt sich auf seinem Lehnstuhl, als könnte ihn kein Schatz der Welt aus der Reserve locken. Und Indie-Daddy Sean Connery hat dem Team eine Absage erteilt. Der Ruhestand mache ihm einfach zu viel Spaß. Sein Rat an den Junior: „Bestehe darauf, dass die Kriechtiere digital und die Klippen niedrig sind. Und behalt um Himmels willen deine Peitsche für den Fall, dass der Stuntkoordinator hinter dir her ist.“ Stirb langsamer. Für die Älteren hat das 21. Jahrhundert auch seine Vorteile.

Ab heute in 24 Berliner Kinos. OV im Cinestar Sony-Center

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