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Kino: Warteschleifen der Wichtigkeit „El Custodio“: aus dem Leben eines Leibwächters

Die Personenschutzbranche hat in den letzten zwanzig Jahren einen Aufschwung erlebt, und das nicht nur wegen der Gefahr terroristischer Anschläge im öffentlichen Raum, sondern auch wegen der Statussymbolik. Wer einen oder gar mehrere Männer mit Knopf im Ohr im Gefolge hat, signalisiert allerhöchste Wichtigkeit.

Die Personenschutzbranche hat in den letzten zwanzig Jahren einen Aufschwung erlebt, und das nicht nur wegen der Gefahr terroristischer Anschläge im öffentlichen Raum, sondern auch wegen der Statussymbolik. Wer einen oder gar mehrere Männer mit Knopf im Ohr im Gefolge hat, signalisiert allerhöchste Wichtigkeit. Das Berufsbild des Bodyguards scheint vom Glanz der zu beschützenden Subjekte zu profitieren: Ständige Nähe zu VIPs wirkt begehrenswert, und ein wenig geht von deren Macht auf die Beschützer über, wenn sie gelegentlich mit Paparazzi oder Stalkern nicht allzu zimperlich umgehen.

Der argentinische Film „El Custodio – Der Leibwächter“ zeigt die wenig attraktiven Seiten des Jobs, der hauptsächlich aus stumpfsinnigem Warten vor verschlossenen Türen besteht, aus ständiger Bereitschaft und höchster Abhängigkeit. Rubén ist ein mittelalter, schweigsamer Mann, der einem Minister auf Schritt und Tritt folgt. Unter dem tadellos gebügelten weißen Hemd trägt er eine schusssichere Weste, unter der Jacke eine Waffe. Seine äußere Erscheinung ist makellos, stundenlang wartet er in den Gängen von Ministerien, Hotels, Sendeanstalten, gelegentlich bekommt er einen Zwischenbescheid, dass es noch ein paar Stunden dauern werde. Rauchen und Wasser trinken sind die einzigen Bedürfnisse, denen er während der Wartezeit nachgibt. Kommt jemand vorbei, versteckt er Zigarette oder Pappbecher hinter dem Rücken. Ein einziges Mal, in einem Tagungsort am Meer, kommt er mit einem Kollegen ins Gespräch, dem er gesteht, noch nie gebadet zu haben. „Tu’s doch jetzt“, sagt der andere, „die brauchen da drin noch eine Weile.“ Aber noch während Rubén über diesen Vorschlag nachdenkt, knackt schon das Funkgerät. Das Meer allerdings wird er nicht mehr vergessen.

Rodrigo Moreno, seine Kamerafrau Barbara Alvarez und sein äußerst subtil agierender Hauptdarsteller Julio Chávez, der dieses Jahr bei der Berlinale für „El otro“ einen Silbernen Bären als bester Darsteller gewann, haben einen visuell anspruchsvollen, minimalistischen Film geschaffen, der noch in den wiederholt gezeigten Szenen der Alltagsroutine voller Spannung ist. Die Figur des Rubèn bleibt fremd, man sieht sie häufig durch Glas oder in der Distanz, die Tonspur besteht hauptsächlich aus Gesprächsfetzen, die der Leibwächter während seines Jobs aufschnappt. Sie bleiben ihm unverständlich, und genauso wirken sie auf die Filmzuschauer. Erklärt wird nichts, auch nicht die Biografie oder die Motive dieses Leibwächters, der den Kontakt zu sich selbst verloren hat. Dass man sich trotzdem für ihn interessiert, liegt an der eindringlichen Inszenierung Rodrigo Morenos, der zu den Hoffnungsträgern des neuen argentinischen Kinos zählt. Daniela Sannwald

fsk am Oranienplatz, Neue Kant Kinos

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