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Nancy (Cate Blanchett) und Rick (Christian Bale) in "Knight Of Cups" von Terrence Malick.

© StudioCanal/dpa

Kinofilm "Knight of Cups": Das Auge Gottes

Sinnsucher: Christian Bale irrt in Terrence Malicks Meditation „Knight of Cups“ durch Los Angeles.

Dieser Texaner gilt als der Philosoph des amerikanischen Kinos, und wie fast alle Philosophen kann er einem ziemlich auf die Nerven gehen. Wer die Filme von Terrence Malick, Jahrgang 1943, verstehen oder gar mögen will, sollte bestimmte mentale Voraussetzungen mitbringen, am besten eignet sich eine handfeste Depression. Menschen dagegen, die sich in ihrem Leben und dieser Welt ganz zu Hause fühlen, solche, die mit beiden Beinen fest auf jenem Boden stehen, den sie auch den der Tatsachen nennt, sind gänzlich ungeeignet als Malick-Publikum.

Allein wie „Knight of Cups“ anfängt: Da sind ein Garten, ein Kind und eine raunende Stimme, die etwas von einem Ritter erzählt und von einer Perle, die das Kind suchen will oder suchen soll. Auftrag und Selbstbeauftragung fallen in diesem Alter noch auf glücklichste Weise zusammen. Irgendwann vergessen die meisten diesen Auftrag und werden Immobilienmakler oder Drehbuchautor in Hollywood wie Rick. Rick ist die Hauptfigur.

Neben Bale spielen Cate Blanchett und Natalie Portman

Christian Bale spielt Rick. Er bekam kein Drehbuch, nur eine Beschreibung seiner Figur. Das liegt nicht daran, dass Malick keine Drehbücher schreiben kann, im Gegenteil, sein Filmstudium hat er einst mit dem Überarbeiten von Drehbüchern finanziert, musste allerdings die Erfahrung machen, dass oft keine seiner Änderungen angenommen wurde. Man könnte auch von einer exemplarischen Einübung in die Vergeblichkeit sprechen, vielleicht hat er darum zur gleichen Zeit Heideggers Schrift „Das Wesen des Grundes“ übersetzt. Egal wie, bei Malick gibt es keine Drehbücher. Kein Geländer, nichts zum Festhalten. Offensichtlich mögen Hollywoods Schauspieler das. Neben Bale spielen Cate Blanchett und Natalie Portman, und das sind nur zwei Frauen, die wichtig waren in Ricks Leben.

Die meisten Menschen leben mit einer so erstaunlichen Routine, dass es schwer- fällt zu glauben, sie leben zum ersten Mal, und die Perle haben sie spätestens am Ende ihrer Kindheit vergessen, aber irgendwann ist Rick aus dieser Routine gefallen. Und nun fragt er sich: Was mache ich hier überhaupt? In meinem Leben, hier in L.A. und weiterhin auf Erden? Dauer der Fragestellung: 118 Minuten. Antwort: keine. Natürlich nicht. In diesem Punkt ist Malick aufrichtiger als alle Religionen.

Wenn Rick mit seinen Auftraggebern spricht, so klingen diese Dialoge wie hinter Glas. Sie kommen aus einer Welt, die ihn nichts (mehr) angeht. Klar bleibt dagegen die raunende Stimme. Sie ist die Verlautbarungsinstanz von Ricks innersten Gedanken, etwa der Einsicht, dass die wahre Verdammnis darin bestehe, aus lauter Bruchstücken zu bestehen, die sich nie zusammenfügen. Rick, dieser in seinen Körper und die Welt eingesperrte Bewusstseinsfunke, treibt durch sein ihm fremd gewordenes Leben: Er sieht die Frauen, die er liebte, er sieht seine Stadt, die Übergänge sind willkürlich, was für hart-weiche Schnitte! Malick zählt zu den Regisseuren, die wissen, dass zu den Privilegien, am Leben zu sein, nicht zuletzt gehört, mit dem Auge Gottes sehen zu können. Wir wissen nicht, was Malicks Vater dazu gesagt hätte. Er war Angestellter eines texanischen Ölkonzerns. Jeder weiß, welchen Sinn es hat, Öl zu suchen, aber eine Perle?
Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Kulturbrauerei; OmU: Hackesche Höfe, Rollberg

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