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Kultur: Klang oder Bild

Waldbühne: Barenboim und das Divan Orchestra.

Ein Bild für Götter: die arabischen und israelischen Musiker des West-Eastern Divan Orchestra in musikalischer Leidenschaft vereint, während über den Baumwipfeln der Waldbühne die Sonne verglüht. Daniel Barenboim stellt mit schier napoleonischer Präsenz den Kontakt zwischen Himmel und Erde her, während er plastisch um Liebe und Tod ringt. Schließt man aber die Augen, muss man sich eingestehen: Das Klangbild hält der optischen Vision nicht stand.

Das liegt keineswegs an den Musikern, sondern an der hier natürlich nötigen Lautsprecherverstärkung. Die mag für Pop ausreichen, doch den reichen, differenzierten Orchesterklang bildet sie nur unzureichend ab. Immer wieder schwappt der Fokus hin und her, klingen Tiefen dumpf und Höhen blechern. Vergleichsweise glimpflich kommen die Préludes aus Verdis „La Traviata“ davon, da hier keine extremen dynamischen Kontraste auftreten. Problematischer dann Wagner, bei dem der physisch einhüllende Orchesterklang eine noch größere Rolle spielt. Am ehesten lässt sich der Lautsprecher-Hautgout bei der Meistersinger-Ouvertüre akzeptieren, wo er an den propagadistischen Missbrauch des Stücks zu erinnern scheint. Wirklich schade ist es um Berlioz’ „Symphonie fantastique“: Hier gehören Instrumentation und insbesondere auch der Kontrast zwischen „schönem“ und deformiertem Orchesterklang zur Substanz – und auf der sollte man bestehen, wenn das Ohr nicht irgendwann zum Sklaven des Auges werden soll. Carsten Niemann

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