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Kultur: Klangknospen

Frühlingshaft: Alban Gilbert und die Philharmoniker

Der Frühling ist eine Zeit des Taumelns, zwischen den Strahlen der erstarkenden Sonne und den kalten Schatten, in denen sich noch der Winter verschanzt hält. Ein Blinzeln, ein Frösteln, eine aufgekratzte Müdigkeit begleitet seine Ankunft, eine Ahnung, von dem, was kommen mag und zugleich ein Erzittern davor. In diesem Sinne ist das Konzert, das Alan Gilbert in Vertretung von Gustavo Dudamel bei den Berliner Philharmonikern dirigiert, ein Ausflug auf schwankendem Terrain.

Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“ oszillieren stilistisch zwischen Romantik und Moderne, sind erfüllt von aufkeimender Zärtlichkeit, deren erblühte Erfüllung immer auch um ihr Verwelken weiß. Christianne Stotijn wandert mit ihrer tastenden Mezzosopran-Stimme, die die Farben der Schatten kennt, durch Nacht und Schilf, vorbei an knospenden Rosen und überreifen Chrysanthemen und träumt von jener blauen Ewigkeit, die der Sommerwind mit sich nehmen wird. Aus der Tiefe wächst der Philharmonikerklang ihr entgegen, für kurze Verschmelzungen mit langem Nachbeben.

Bei Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 findet Gilbert in Emanuel Ax einen Partner, der zu balancieren vermag zwischen den Gesten der Pracht und der Trauer, die hier so plötzlich aufeinander folgen. Mit zartem Witz und feiner Melancholie bändigt er die extremen Launen, ein Spiel das wärmt ohne trügerische Behaglichkeit zu verbreiten. Wie das Aufbrechen der Erde nach dem Winter formt Gilbert den Beginn von Strawinskys „Feuervogel“, aus dem Nichts, als wär es die Dritte von Mahler. Der Chef des New York Philharmonic sorgt effektsicher für die Energie, die es braucht, damit die Thermik nicht abreißt. Die Philharmoniker fliegen im Frühlingswind. Ulrich Amling

Noch einmal am heutigen Sonntag, 20 Uhr. Christianne Stotijn gibt am 5. April einen Liederabend im Kammermusiksaal. Alan Gilbert gastiert mit seinem New York Philharmonic Orchestra am 18. Mai mit Werken von Mahler in der Philharmonie.

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