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Kultur: Klangmagier

Peter Dijkstra beim RIAS-Kammerchor.

Erschreckend leer ist der Kammermusiksaal am Sonntagabend beim Abokonzert des RIAS-Kammerchors – man fragt sich, ob es in Berlin überhaupt ein Chorpublikum gibt. Schade war’s jedenfalls für die, die zu Hause geblieben waren, denn was der niederländische Chordirigent Peter Dijkstra aus diesem Abend machte, war beeindruckend. Fast alle mitgebrachten Werke einte Schwierigkeit und Seltenheit ihrer Aufführung.

Sämtlich aus dem 20. Jahrhundert, stammten sie doch aus höchst verschiedenen Traditionen: Während Barbers 1940 entstandene „Reincarnations“ noch der englischen Spätromantik verpflichtet sind, war der Niederländer Rudolf Escher keine 15 Jahre später ein Serieller geworden. Jean-Yves Daniel-Lesurs „Cantique des Cantiques“ muss dagegen auch in den Fünfzigerjahren als vergleichsweise traditionalistisch gegolten haben.

Was den Gastdirigenten an allen Stücken interessiert, ist ihre ganz unterschiedliche Art, aus der zugrunde liegenden Lyrik ein Klangfarbenspektrum zu entwickeln, das weit über die übliche Chormusik hinausfunkelt. Und im RIAS-Kammerchor hat der junge Holländer dankbare Mitstreiter mit sichtlichem Spaß an seiner jugendlichen Energie.

Sein aufbrausendes, nie zum Selbstzweck entflammtes Temperament tut dem Chor ausgesprochen gut. Es scheint fast, als würde Dijkstra wie ein Bildhauer aus der Musik und ihren Interpreten eine Multidimensionalität herausarbeiten, die nicht nur die ungeheuer reiche Klangsprache, sondern auch ihre zugrunde liegenden Baupläne und Emotionen, historische Begleitumstände und Lebensgeschichten der Komponisten zum Vorschein bringt. Der Dirigent verlangt beinahe Unmenschliches – und bekommt es. Eine Entdeckung und Meisterleistung zugleich. Christian Schmidt

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