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Kultur: Klavierabend: Stiller Mut

Es stärkt den Glauben an die Kunst, wenn Musik zuweilen ganz musikunabhängige Tröstungen vermitteln kann: Mut, so lautet beispielsweise der eigentliche Hauptgewinn, der sich aus Aleksandar Madzars Solo-Recital im Kammermusiksaal ziehen lässt, ist keine Frage des Temperaments, sondern kann auch den Leisen, Schüchternen gegeben sein. Der 32-jährige Belgrader ist ein Mutiger und zugleich ein Stiller, wirkt auf dem Podium eher verlegen und traut sich doch mehr als etliche charismatische Tastenbretterer: Nämlich Persönlichkeit zu zeigen und Musik ganz so zu spielen wie er sie wahr-nimmt.

Es stärkt den Glauben an die Kunst, wenn Musik zuweilen ganz musikunabhängige Tröstungen vermitteln kann: Mut, so lautet beispielsweise der eigentliche Hauptgewinn, der sich aus Aleksandar Madzars Solo-Recital im Kammermusiksaal ziehen lässt, ist keine Frage des Temperaments, sondern kann auch den Leisen, Schüchternen gegeben sein. Der 32-jährige Belgrader ist ein Mutiger und zugleich ein Stiller, wirkt auf dem Podium eher verlegen und traut sich doch mehr als etliche charismatische Tastenbretterer: Nämlich Persönlichkeit zu zeigen und Musik ganz so zu spielen wie er sie wahr-nimmt. Was Widersprüche mit einschließt, aber doch gerade durch die Vermeidung von Stilklischees immer etwas aussagt. Da ist eingangs Alban Bergs Klaviersonate, die überhaupt nicht so klingt, wie Berg als Erzvater der Moderne zu klingen hat. Nicht akademisch-analytisch, sondern als Klangsensualist, der die Form nur als Gerüst für irisierend-skrjabineske Farbwirkungen nutzt. Madzar gelingt dieser Auflösungsprozess verblüffend schlüssig: Einerseits spielt er die klassische Anlage durch agogische Kontrastierung der Motive heraus, läß sie aber sofort wieder im irisierenden Schimmer feintöniger Anschlagsnuancen verschwimmen. Die gestalterische Richtlinie für das Programm ist damit gesetzt. Madzar empfindet jedes Werk zunächst einmal vom Klang her - ein Rhythmiker, der Bachs vierte Partita aus tänzerischem Impuls heraus gestalten würde, ist er nicht. Gerade die schnelleren Sätze schlagen Madzar in pure Motorik um statt wirklich tänzerisch bewegt zu werden. Doch Madzar nutzt lieber jede Gelegenheit zum Träumen: Bachs Allemande und Sarabande, die er zu arios poetischen Charakterstücken dehnt, und zwei Scarlatti-Sonaten, die zu funkelnden Perlenschnüren werden - dass die letzten Perlen dabei jeweils mangels eines rhythmisch prägnanten Abschlusses wegkullern, kümmert ihn nicht. Doch am wohlsten scheint sich der Träumer zu fühlen, wenn er Geschichten erzählen kann: Bei Ravels "Gaspard de la nuit", die Madzar so ruhig und liebevoll als poetische Klangmärchen erzählt, dass man die horrenden Schwierigkeiten der Stücke darüber fast vergisst. Und ist das nicht die eigentliche Kunst?

Jörg Königsdorf

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