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Klavierkonzert: Die Sprache der Gewalt

David Afkham debütiert bei der Staatskapelle. Die Musik kommt stellenweise nicht vom Fleck.

Meister des Mezzoforte sind die Musiker der Staatskapelle bei Beethovens 4. Klavierkonzert. Das Timbre dunkel eingefärbt, sämige Melodik, kammermusikalischer Zuschnitt, ausschwingende Enden – es passt gut zu Saleem Ashkars angenehm abgefedertem Klavierspiel. Ein bisschen zu behaglich die Interpretation des israelisch-palästinensischen Pianisten, man vermisst eine persönliche Note. Spätestens seine Zugabe, Schumanns „Träumerei“, wünschte man sich dann doch ohne einen Weichzeichner.

Wolfgang Rihms sich immer wieder ins Solistische ausdünnende „Verwandlung 3“, Beethovens auf Pingpong-Dialogik basierendes, in Gedankenspielereien abdriftendes Werk, schließlich Schostakowitschs 10. Sinfonie, bei der sich so gar nichts verwandeln will: interessante Programmzusammenstellung in der Philharmonie. Der aus einer deutsch-iranischen Musikerfamilie stammende Dirigent David Afkham weiß bei seinem Staatskapellendebüt mit Lautstärke hauszuhalten, sorgt für Stringenz und innere Spannung.

Nichts fließt, alles staut sich

Aber er interpretiert doch alles in gleicher Manier. Die chromatischen Kriechgänge bei Schostakowitschs Zehnter, die Unisono-Melodien der Streicher, die Dies-Irae-Interventionen der Blechbläser, das Mahler’sche Changieren zwischen Dur und Moll – wer hier Schwung holt, kommt nicht vom Fleck. Nichts fließt, alles staut sich, verharrt, wird festgestampft: Und die Musik wird zum tönernen Gefängnis.

Nach ihrer Uraufführung 1953 wurde die Zehnte in der Sowjetunion heftig diskutiert. Schostakowitsch war unter Stalin als Formalist in Ungnade gefallen, jetzt, kurz nach dessen Tod, konnte er wieder gespielt werden. Nicht dass der 32-jährige Afkham und die Staatskapelle die mächtige Etüde über Gewalt und den Trotz des Individuums verharmlosen wollen. Aber ein wenig scheuen sie doch vor der Drangsal der Wiederholung zurück, der unangenehmen, ja bösen Seite der Symphonie.

Individualität im Unrechtsstaat?

Was nichts daran ändert, dass das insistierende Hauptmotiv des Schlusssatzes, jenes unerbittlich sich durchfräsende D-EsC-H, einen noch auf dem Nachhauseweg verfolgt. Die auskomponierten Initialen von Schostakowitschs Namen, gemahnen sie nun an das Recht auf den individuellen Ausdruck im Unrechtsstaat? Oder wird das Regime-Opfer selber zum Tyrannen, der sein Publikum mit Ohrwürmern quält? Ein Paradox, das sich so leicht nicht auflösen lässt.

Sorgt für Stringenz: David Afkham.
Sorgt für Stringenz: David Afkham.

© picture alliance / dpa

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