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Ausschnitt aus dem Buchcover: Die Illustrationen zum "Unsinn" stammen von Sophie Weiss.

© Abb. Sophie Weiss/Claudius Verlag

Kleine Philosopie für Kinder und Erwachsene: Vom tieferen Sinn des Unsinns

Der Philosoph Wilhelm Vossenkuhl hat ein Büchlein über den "Unsinn" geschrieben. Darin geht es um die herrliche Unlogik der Sprache, um Satire, Suprematismus und Wilhelm Busch.

Eins ist schon mal klar. Die Sprache, ohne die kein Philosoph philosophieren kann, steckt voller Unsinn. Man nehme nur die Wörter, die einen Gegensatz behaupten, wo gar keiner ist. Kosten und Unkosten zum Beispiel, oder Mut und Unmut. Oder die Füllwörter der Wichtigtuer. Oder jene Begriffe, die bis auf einen klitzekleinen Buchstaben identisch sind, ohne das Geringste miteinander zu tun zu haben. Der Wind und das Kind oder die Kürze samt Würze – sie tauchen besonders gerne in Reimen auf.

Der Philosoph Wilhelm Vossenkuhl, der bis 2011 als Professor an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität tätig war und sich insbesondere mit Wittgenstein und ethischen Fragen befasst („Die Möglichkeit des Guten“), hat ein Büchlein über den Sinn des Unsinns geschrieben.

Zunächst empfiehlt er Sprach- und Lautspiele. Er verweist auf verbale Paradoxien, freut sich über die sprachbildende Kunst des Nachahmens nicht nur bei Kindern und wirbt für den Spaß, Tiere oder Dialekte zu imitieren. Auch in Erinnerung an seine schwäbische Englischlehrerin, die gern den Satz „De Deifl isch a Aichhärnle“ zum Besten gab, wenn jemand etwas nicht wusste. Wobei er als Moralphilosoph eindringlich vor dem diskriminierenden Nachäffen anderer Menschen warnt.

Zwar erweist sich als störend, dass der Autor, Jahrgang 1945, seine Leserinnen und Leser im Plural anspricht und gern rhetorische Floskeln einstreut. „Ihr werdet euch fragen“, „Ihr solltet wissen“, es klingt ganz so, als stünde er im Auditorium vor einer wissbegierigen Hundertschaft.

Leider verlässt der Autor recht bald die Spielwiese der Wörter und Buchstaben

Auch stellt sich bald heraus, dass der „Unsinn“-Titel seiner „Kleinen Philosophie für Kinder und Erwachsene“ ein wenig gemogelt ist. Denn Vossenkuhl erzählt nicht nur von Dada- und Nonsense-Dichtern wie Hugo Ball oder Edward Lear, er führt außerdem mal eben in die Poetik ein, in die Satire bei Jonathan Swift, den russischen Suprematismus oder die beißende Sowjetkritik und die politische Verfolgung von Daniil Charms.

Ausführlich behandelt er die philosophischen Aspekte bei Wilhelm Busch. Mit Blick auf Wittgenstein und Kant geht er auf Buschs fantastische Erzählung „Eduards Traums“ ein – nicht ohne auch die Diskussion über den Antisemitismus im Werk des „Max und Moritz“-Erfinders zu erläutern. Für Kinder ist das doch recht speziell.

[Wilhelm Vossenkuhl: Unsinn. Eine kleine Philosophie für Kinder und Erwachsene. Mit Illustrationen von Sophie Weiss. Claudius Verlag, München 2021.142 Seiten, 16 €. Ab 14 Jahre]

Während Vossenkuhl anfangs fürs sinnfreie Spielen wirbt, weil es Verstand und Empfindung in Einklang und außerdem neue Einsichten zu bringen vermag, verlässt sein Buch die Spielwiese bald.

Trotzdem nimmt man bei der Lektüre gewinnbringend zur Kenntnis, wo überall fruchtbarer Unsinn lauert. In der Parodie auf sich selbst überschätzende Philosophen und allzu rationalistische Wissenschaftler, im Spott wider den bösen Unsinn von Gewalt, Unterdrückung und Tod, in den Unwahrscheinlichkeiten des Märchens, in der Religion als Widerpart hybrider Vernunft. Und nicht zuletzt im Nichts, etwa im „Schwarzen Quadrat“, der Null-Ikone von Kasimir Malewitsch.

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Apropos Bilder: Die Buchillustrationen von Sophie Weiss, kleine und größere Vignetten, zeigen des öfteren vergnügliche Unsinns-Tiere. Eine Leserin fliegt auf dem Rücken eines Vogels, ein Papagei plappert auf dem Kopf des Nonsense-Poeten, eine Schlange zeigt sich in Gestalt eines Fragezeichens, ein Elefant hockt gemütlich auf einem Baum. Und neben Wilhelm Buschs schnarchendem Träumer Eduard blinzelt eine Katze.

Ein paar Sätze Vossenkuhls bleiben dann doch im Gedächtnis. Etwa der Hinweis, dass jede Frage in der Philosophie mindestens eine weitere auslöst (ähnlich wie im wirklichen Leben). Oder das Heidegger-Zitat, demzufolge das Denken ein Danken sei, noch so ein Buchstaben- Spiel. Und die schlichte, aber folgenreiche Erkenntnis, dass das Denken allein einen meist nicht so weit bringt wie zusammen mit anderen.

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