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Kultur: Klettern, kippeln, kollabieren

„Zwischen Dingen“, ein Stuhltanzstück im Dock 11

Ein deutscher Büroangestellter verbringt etwa 80 000 Stunden seines Arbeitslebens im Sitzen. Hinzu kommen Busfahrten, Fernsehabende und Theaterbesuche. Im Dock 11 in Berlin hat die Choreografin Jenny Haack aus der bequemen Knickhaltung ein Tanztheaterstück gemacht, mit fünf Spielern, sechs Stühlen und einer Leinwand. „Ich will einfach nur hier sitzen“, nölt die sonore Stimme von Loriot aus den Lautsprechern, während Jörg Haßmann einen Handstand auf der gepolsterten Fläche des Kaffeehausstuhls macht. Dezente Lichtgestalten wandern über die Videoleinwand.

„Zwischen Dingen“ ist ein buntes szenisches Allerlei, verbunden durch die Frage nach dem technisch Möglichen zwischen Stuhl und Mensch. Der Gegensatz zwischen Ruhe und Bewegung wird scheinbar aufgehoben. Die Spieler kippeln und klettern, stapeln und schubsen, manche werden selbst zu Stühlen, während andere sich sitzend ausruhen. Natürlich stehen irgendwann alle fünf Spieler auf einem Stuhl. Als sie das Gleichgewicht verlieren, brechen sie aus ihren Rollen, wie nach jeder Szene. „Das Meiste ist improvisiert“, sagt Produktionsleiterin Gabi Beier. „Jeden Abend passiert etwas Neues.“ Die Stühle hat Jenny Haack im Internet ersteigert, es sind die alten Möbel des Café Kranzler, bezogen mit rosafarbenem Samt. „Die alten roten Polster haben wir kaputt gespielt.“

Beier und Haack haben 2005 das Stuhltanzstück „paarmitsessel“ inszeniert, ein Beziehungsduett mit Sitzgelegenheit. „Zwischen Dingen“ will alles vereinen: Tanz und Objekt, Musik, Sprache, Film. Wenn am Ende ein Dutzend Stuhl-Icons wie Bildschirmschoner über die Rückwand wabert, wäre weniger mehr gewesen. Am Bühnenrand steht der sechste Stuhl. Manchmal wird er besetzt, bespielt wird er nicht. Er ist der einzige dunkelrote – schön, aber zerfleddert.

Dock 11, Kastanienallee 79 (Prenzlauer Berg), bis 6. August, 20.30 Uhr.

Lea Streisand

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