Die Südländer des Nordens: Die Iren
Was für ein Leben! Gesellig herumsitzen, das Tagesgeschehen durchdiskutieren und nebenbei das Glas zum Munde führen – sie scheinen immer irgendwie im Urlaub zu sein, diese Iren. Schwarzbier, Darts und Kneipenlieder. Klar, dass es auf der grünen Insel mit der Geldvermehrung nicht weit her ist.
So ist das mit den Klischees – oder auch nicht. Ist es nicht nur ein feiner Unterschied zwischen Guinness und Retsina? Sind die Iren nicht die Südländer des Nordens? Und warum liegt für Angela Merkel, und nicht nur für sie, das Bild des faulen Griechen, Portugiesen oder Spaniers so nah, während das Euro-Krisenland Irland unerwähnt bleibt – auch wenn es zusammen mit Portugal bald 15,3 Milliarden Euro Hilfskredite bekommt?
Was kümmert es die stolze Korkeiche, ließe sich sagen, wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt? Schließlich fußt Merkels außenpolitischer Stimmungskiller auf falschen Zahlen. Aber was verbirgt sich hinter dieser Arroganz? Warum fällt uns das eine Klischee schneller ein als das andere? Und warum ist das, was bei den einen charmant ist, bei den anderen verwerflich?
Klischee gegen Klischee. Die reine deutsche Seele fühlt sich der irischen Indoor-Gemütlichkeit näher als der mediterranen Schönwetterkultur des Draußenrumsitzens. In Alemania ist öffentliches Nichtstun unerträglich, wenn man schon unproduktiv sein muss, dann bitte hinter geschlossenen Türen. Im Urlaub schaut man sich eventuellen Müßiggang halb sehnsüchtig, halb überlegen an, während man selbst damit beschäftigt ist, Sehenswürdigkeiten abzuarbeiten.
Und die Musik! Klischees, bitte! Der „griechische Blues“ Rembetiko, melancholischer Fado aus Portugal – Töne zum Träumen, zum produktiven Nachsinnen über die Welt und ihre wunderbare Kompliziertheit. „Alles an uns ist Zufall und List,“ schrieb der große portugiesische Dichter Fernando Pessoa, „die Größe, die wir erreicht haben, haben wir nicht; wir sind in der Höhe nicht größer als wir groß sind. Selbst das, was wir mit Füßen treten, erhöht uns.“ Einfach mal auf dem Teppich bleiben. Jan Oberländer
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