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Kultur: Klischee olé

Fernando Truebas Trickfilm „Chico & Rita“.

Man macht das ja nicht mehr so oft. Eine Geschichte von ihrem Ende her erzählen. Wenn es aber eine dieser klassischen, traurig-schönen Liebesgeschichten ist, mit ihren Zufällen, Missverständnissen und Intrigen über Jahrzehnte hinweg, kann die hohe Kunst der Rückblende ganz schön Eindruck machen. Wenn man sich also nicht fragt: Wie geht’s weiter? Sondern: Wie konnte es nur so kommen?

„Chico & Rita“ ist ein Trickfilm. Seine Geschichte hat man so ähnlich schon öfter gesehen, die Charaktere sind eher dünn gezeichnet. Dennoch gelingt es den Regisseuren Fernando Trueba („Belle Epoque“), Tono Errando und Javier Mariscal, die Zuschauer für ihre Figuren einzunehmen, als wären diese aus Fleisch und Blut. Chico, der begnadete Pianist, und Rita, die glutäugige Sängerin, gehören zusammen. Und doch ist Chico allein. Wie konnte es nur so kommen?

Chico und Rita begegnen sich 1948 in einem Club in Havanna. Er ist neu in der Stadt und muss sich beweisen, sie dagegen schon eine begehrte Sängerin. Dennoch singt Rita eines seiner Lieder für einen Radio-Wettbewerb. Die beiden gewinnen und verlieben sich. Doch dann kommt der gierige Amerikaner. Die andere Frau. Der Alkohol. New York, Paris, Las Vegas. Fidel Castro. Und so weiter. Nein, „Chico & Rita“ ist nichts für Kinder. Es gibt Drogen, nackte Körper, es wird auch geschossen. Ein erotischer Trickfilm? Durchaus.

Das liegt vor allem an der unwiderstehlichen Musik, dem afro-kubanischen Jazz, eingespielt unter der Leitung von Bebo Valdés – kubanische Musiklegende und langjähriger Bandleader im Tropicana Club. Es liegt aber auch an der Machart dieses Oscar-nominierten Films. „Chico & Rita“ kümmert sich nicht im Geringsten um den Hyperrealismus heutiger Animationsfilme. Dicke, geschwungene Striche geben den Bildern Kontrast und verleihen dem Film eine expressive Eleganz; statt Worten gibt es auch mal nur Blicke und Melodien. Herrlich überhaupt die Darstellung der Städte: die erdigen Farben Havannas, das blaugraue New York, das grell leuchtende Vegas.

Und doch hätte man sich von den Machern ein wenig mehr Spiellust gewünscht. So viel freie, wilde, verführerische Musik – da muss man doch auch mal ausbrechen wollen aus dem Erzählen! Es gibt ja Momente, in denen die Bilder mehr Eigenleben gewinnen. Eine Verfolgungsjagd durch Havanna etwa, oder Chicos Traum, als er nach New York übersetzt und auf Fred Astaire, Humphrey Bogart und andere Entertainment-Größen trifft.

Bemerkenswert ist übrigens, dass die Figuren keineswegs besonders liebenswert sind, sondern hitzköpfig, stur, leicht verführbar. Geradezu menschlich, wenn auch sehr archetypisch. Aber egal, wie schlicht die Charaktere gezeichnet sind – man will, dass sie am Ende zueinanderfinden. Sebastian Handke

Filmtheater am Friedrichshain, OmU: Babylon Kreuzberg, Central

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