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Kultur: Klonen: Revolutionäre Zellen

Als im Sommer dieses Jahres von Bestrebungen britischer Politiker berichtet wurde, das so genannte "therapeutische Klonen" gesetzlich zu ermöglichen, hielten sich ihre deutschen Berufskollegen mit Stellungnahmen noch zurück. Aber die Entscheidung des britischen Unterhauses vom Dienstagabend, den Weg zum therapeutischen Klonen und zur Gewinnung von Stammzellen im Zeitraum bis zu 14 Tagen danach zu ebnen, hat jetzt auch die deutschen Politiker aufgeschreckt.

Als im Sommer dieses Jahres von Bestrebungen britischer Politiker berichtet wurde, das so genannte "therapeutische Klonen" gesetzlich zu ermöglichen, hielten sich ihre deutschen Berufskollegen mit Stellungnahmen noch zurück. Aber die Entscheidung des britischen Unterhauses vom Dienstagabend, den Weg zum therapeutischen Klonen und zur Gewinnung von Stammzellen im Zeitraum bis zu 14 Tagen danach zu ebnen, hat jetzt auch die deutschen Politiker aufgeschreckt. In einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Woche" findet Bundeskanzler Schröder deutliche Worte: Die Gesetzeslage in Deutschland müsse "im Licht der rasanten gentechnischen und medizinischen Entwicklung" auf den Prüfstand, "ideologische Scheuklappen und grundsätzliche Verbote" seien unangebracht.

Was unter dem Stichwort "therapeutisches Klonen" in die Debatte kam, ist richtiger als Klonen zu medizinischen Zwecken zu umschreiben. Das Ziel besteht nämlich darin, Stammzellen zu gewinnen, aus denen im Labor anschließend spezialisierte Zellen, Gewebe und Organe gezüchtet werden können, die der Empfänger ohne Abstoßungsreaktionen gut verträgt. Zu diesem Zweck soll in die entkernte Eizelle einer Spenderin der Kern einer Körperzelle des Patienten eingepflanzt werden, ein Verfahren, das auch beim Klonschaf Dolly Anwendung fand. Im Reagenzglas können einige Tage danach aus dem Inneren des so entstandenen Embryos Stammzellen gewonnen werden. Das Klonen dient also nicht der Erzeugung eines Doppelgängers des Kranken ("reproduktives Klonen"), sondern soll die Verträglichkeit des für seine Heilung bestimmten Gewebes sicherstellen. Während die medizinische Anwendung, so segensreich sie sein könnte, noch weitgehend Science-Fiction ist, ist das Verfahren selbst ethisch heiß umstritten. Was von Yvette Cooper, Staatssekretärin im britischen Gesundheitsministerium, als "Schlüssel zur Heilung von Krankheiten" gefeiert wird , ist für die Grünen-Europa-Abgeordnete Hiltrud Breyer ein "ethischer Dammbruch" und für Ex-Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) "unverantwortlich und verhängnisvoll". Auch Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn wandte sich bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz in Berlin am Mittwoch ausdrücklich dagegen, "aufgrund von Heilungsversprechen und Hoffnungen ethische Grenzen zu überschreiten".

Die eigentliche Frage sei zudem, ob zur Entwicklung von neuen Therapien tatsächlich die Herstellung embryonaler Stammzellen nötig sei. "Hier meine ich: Nein!" sagte die Ministerin. Sie setzt - wie auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft - stattdessen große Hoffnungen auf eine Alternative: die Forschung mit so genannten adulten (erwachsenen) Stammzellen. Auch Kanzler Schröder erwähnt diese Option ausdrücklich. Solche Zellen des menschlichen Körpers sind allerdings - im Gegensatz zu den embryonalen "Alleskönnern" - schon auf ein Organ spezialisiert, doch gibt es erste Erfolge mit Umprogrammierungen. Erlaubt ist in Deutschland derzeit auch die Nutzung der Vorläufer von Ei- und Samenzellen abgetriebener oder gestorbener Embryonen zur Erzeugung von Stammzellen. In anderen Ländern werden zudem Stammzellen aus Embryonen gewonnen, die bei In-vitro-Befruchtungen übrig bleiben. Mit der Freigabe des therapeutischen Klonens jedoch steht Großbritannien derzeit allein da. Internationale Absprachen wie die Unesco-Deklaration und das Menschenrechtsabkommen des Europarats lehnen das Verfahren ab. In Deutschland sprach sich am Mittwoch nur die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Bundesforschungsausschusses Ulrike Flach eindeutig für eine "geregelte Öffnung für diese Technologie" im geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz aus.

Zu den Eckpunkten dieses Gesetzes, die Gesundheitsministerin Andrea Fischer im November nannte (und jetzt konkretisierte - siehe Beitrag rechts), soll nach ihrem Willen neben einem Verbot der Verwendung von Embryonen zu "fremdnützigen Zwecken" auch ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) gehören, zu der sich Schröder nun ebenfalls äußerte. Die genetischen Tests bieten Paaren, die von ihrer Veranlagung zu schweren Erbkrankheiten wissen, die Möglichkeit, ein in vitro gezeugtes Kind vor der Einpflanzung in den Mutterleib gezielt auf diese Krankheit hin zu untersuchen, könnten allerdings, so der Einwand der Kritiker, auch zur Geschlechtsbestimmung oder anderweitigen gezielten Auslese missbraucht werden. Eine Arbeitsgruppe der Deutschen Ärztekammer hatte sich im Frühjahr dafür ausgesprochen, die PID in Einzelfällen zu erlauben. Gesundheitsministerin Fischer vertritt dagegen die Auffassung, sie seien mit dem geltenden Embryonenschutzgesetz nicht vereinbar. Droht hier Gefahr für den Koalitionsfrieden? Man müsse diskutieren, schreibt Gerhard Schröder, "ob es für uns Gründe gibt, die in vielen EU-Ländern bereits praktizierte Präimplantationsdiagnostik in Deutschland zuzulassen".

Adelheid Müller-Lissner

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