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Kultur: Klopperhymnen

Grunge-Idyll: Soundgarden in der Columbiahalle.

Die Schallwellen der Berlin Music Week sind kaum abgeklungen, da begeistert sich das Publikum in der Columbiahalle für eine Band, die das Aufeinanderprallen der Kontinente Punk und Metal im Fegefeuer der Neunziger nicht überlebt hat: Soundgarden. Seit 2010 ist sie wieder da, die Band um Heulboje Chris Cornell, die vor 20 Jahren mit Nirvana und Pearl Jam als eine der drei großen Grunge-Bands mit einem harten Gitarrensound, vertrackten Grooves und böse springenden Riffs wieder Gefährlichkeit in den Rock brachte. 1997 war Schluss, Cornell wollte einen softeren Sound, schnitt sich die Lockenpracht ab und versuchte mit Audioslave, Solo-Alben und einem Bond-Song seinen Fankreis zu erweitern.

Jetzt trägt er das Haar wieder lang und sieht dabei so hinreißend aus wie der wilde Grunge-Boy von damals. Auch sein Gesang klingt noch immer, als würde sein Brustkorb im Schraubstock stecken. Dabei bemerkt man fast gar nicht, das auch die anderen Klanggärtner die Auszeit von zwölf Jahren unbeschadet überstanden haben: Kim Thayil schüttelt ungerührt tonnenschwere Monsterriffs aus seiner Gitarre, Ben Shepherds Bass dröhnt entschlossen gegen die Erdrotation und Matt Cameron drischt auf die Felle wie ein Bergarbeiter, der Kohle kloppt. Knapp zwei Stunden lang beackert die Band ein euphorisches Grunge-Rock-Idyll, das bewusst artverwandte Gewächse der Vergangenheit zitiert. Neben Stücken vom neuen Album „King Animal“, für die man sich problemlos begeistern kann, bekommt das Publikum auch etliche alte Klopperhymnen zu hören: „Spoonman“, „Jesus Christ Pose“, „Rusty Cage“ und „Incessant Mace“ als letzte Zugabe, bei der sich Cornells Heldentenorstimme noch einmal mit der Melodie zu einem monumentalen Knirschen zusammenlegt, bevor alles von einem Schwall zischender Brummelektronik verschluckt wird. Volker Lüke

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