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Kölner Stadtarchiv: Archivbestände in Gefahr

Nach dem Einsturz: Die Sicherung der Kölner Archivbestände wird Jahre dauern. Bisher konnten 20 Prozent unbeschädigt gerettet werden.

Nun ist auch das zweite Todesopfer des Kölner Archiveinsturzes vom 3. März zur traurigen Gewissheit geworden. Der 24-jährige Khalil war aus seiner Wohnung im gleichfalls zerborstenen Nachbarhaus mit in die Tiefe gerissen worden. Darüber verblasst die Nachricht, dass zur gleichen Zeit der Nachlass des ersten Bundeskanzlers und langjährigen Kölner Oberbürgermeisters, Konrad Adenauer, unversehrt geborgen werden konnte.

Etwa 20 Prozent des Kölner Archivbestandes seien bislang unbeschädigt gerettet worden, erklärte gestern der Leiter des Rheinischen Archivberatungszentrums, Arie Nabrings. Es gibt also Hoffnung auf weitere positive Nachrichten.

Allmählich sickern Informationen über missverständliche oder unvollständige Gutachten durch. Von Anfang Januar datiert eine „Begutachtung“, derzufolge das sechsstöckige Archivgebäude an der Severinstraße „im jetzigen Zustand in statischer Hinsicht ausreichend standsicher“ sei. Dass das massige Bauwerk wahrscheinlich wegen Unterspülung des Bodens unter seinen Fundamenten wegsackte, konnte die „Begutachtung“ überhaupt nicht erfassen. Sie hatte lediglich die bereits sichtbaren Schäden am Gebäude zum Gegenstand. Inzwischen gilt ein Grundwassereinbruch in den Rohbau des U-Bahntunnels als Unglücksursache. Im Sog des Wassers entstand in kürzester Zeit ein Hohlraum unter dem Gebäude, das vornüber in die Baugrube kippte.

Dass es um das Archiv selbst weit schlechter stand, als die politisch Verantwortlichen glauben machen wollten, hat Archivdirektorin Bettina Schmidt-Czaja deutlich gemacht. Am Mittwoch hat sie sich erstmals ausführlich zu der Katastrophe geäußert. Das Gebäude sei schon zu ihrem Amtsantritt Ende August 2004 „total marode“ gewesen, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Kein Anstrich, keine Dichtung, keine Leitung war da erneuert worden. Ich habe dann eine Grundsanierung im Bereich der Lesesäle und Büros durchgesetzt ...“ Die Auslagerung der Bestände während des U-Bahn-Baus hatte sie nicht gefordert:  „Dafür hätte ich keine Unterstützung bekommen.“

Was die Betontrümmer nach zwischenzeitlichem Dauerregen jetzt noch hergeben, ist „schmutzig, kalt und feucht“, wie die Direktorin klagt. Sie nennt es eine „Hölle“. Tapfer verspricht sie: „Wir wollen unser Bestes geben und aus diesem Grab der Kultur retten, was rettbar ist.“

Um die Rettung bemühen sich die um Fachkräfte zahlreicher auswärtiger Archive verstärkten Mitarbeiter in einer Fabrikhalle im abgelegenen Porz. Der Einsturz des Gebäudes hat die Bestände erheblich durcheinandergeworfen. Die im Schutt eingeschlossenen Schätze drohen durch den Abtransport der Trümmer per Kipplader vollends zerstört zu werden.

Sortiert wird in Porz nach Schadensstärke. Feuchte Papiere werden in Folien verpackt und tiefgefroren. „Mehr als eine Generation Wissenschaftler wird nötig sein für die Restaurierung und Aufarbeitung“, fürchtet Barbara Rüschoff-Thale vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, in deren Archivanlage in Münster die Kölner Fundsachen nach Lagerung bei minus 25 Grad Stück für Stück getrocknet werden. Eine Arbeit, die Jahre in Anspruch nehmen wird, bevor mit der eigentlichen Restaurierung begonnen werden kann. Und für diese Restaurierung reichen sämtliche Kapazitäten Deutschlands kaum aus.

Erst jetzt, wo keine weiteren Opfer mehr in den Trümmern zu befürchten sind, kann die Beräumung allein nach den Kriterien der Archivrettung vonstatten gehen. Für die Bergungsarbeiten aus dem „Grab der Kultur“ rechnet die Feuerwehr mit rund einem Jahr. „Wenn das so lange dauert“, fürchtet Archivdirektorin Schmidt-Czaja, „wird nicht mehr viel vorhanden sein. Bernhard Schulz

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