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Kultur: König der Nacht

Nein, diesmal kommt er nicht auf einemPferd hereingeritten, wie er es beim Sonar-Festival gemacht haben soll.Dafür wäre es auch zu eng im proppenvollen Pfefferberg.

Nein, diesmal kommt er nicht auf einemPferd hereingeritten, wie er es beim Sonar-Festival gemacht haben soll.Dafür wäre es auch zu eng im proppenvollen Pfefferberg.Doch Jimi Tenor wäre nicht Jimi Tenor, wenn nicht schon das Betreten der Bühne ein erster Höhepunkt wäre.Der Beat wird schneller, überschlägt sich.Kurz bevor es die Rhythmusbox zerreißt, steht der blonde Finne da.Und wie! Tenor hat wohl einer Opernsängerin das Kostüm zur Königin der Nacht geklaut - er trägt einen Mantel mit Sternchen und von seiner Pappmaché-Krone fällt ein roter Schleier.Ein "Woooow!" raunt durch die Reihen, noch bevor Tenor den ersten Ton gespielt hat.

Klar, der Fummel macht was her, und auch der spacige Jazz-Elektronik-Pop seiner neuen CD "Organism" klingt wieder wunderbar flockenleicht.Das Beste an Tenor aber ist seine natürliche Gelassenheit.Das Saxophon spielt er so, als würde er sich das Instrument einfach in den Mund stecken und locker weiteratmen.Und vor der Heimorgel sitzt er wie andere vorm Fernseher: zurückgelehnt, entspannt.Zwischendurch läßt Tenor seiner vierköpfigen Band von einer Blondine Sekt servieren.Auf der Bühne ist er zu Hause, jedenfalls führt er sich so auf.

Immer wieder mal quäkt seine Fistelstimme einen Refrain ins Mikro, mehr als Alibi - Pop-Stars müssen schließlich singen! -, denn aus Notwendigkeit.Tenors Musik braucht keine Texte.Sie braucht nicht mal Melodien.Wichtig ist nur der Beat, und der pocht wie ein gesundes Herz, mal schnell, mal langsam, aber ohne Rhythmusstörungen.Auf diesem Untergrund läßt Tenor seine Orgel kichern und rülpsen.Mit einem anderen Keyboard produziert er Töne, die wie das Summen einer beschwipsten Biene klingen, die orientierungslos herumdüst."Oh yeah, oh yeah", loopt es von der Festplatte.Dazu stöhnt Tenor so orgiastisch, als wollte er die "Sex-Machine" James Brown beerben."I wanna make love" ist sein Schlachtruf und wenn ihm ein Song besonders gut gefällt, grinst er: "Ist für die Ladies." Tenor wäre so gerne ein Macho, und doch wird er immer unser Mann vom Mars bleiben.Und ein Rätsel.Von wegen "My Mind Is An Open Book" - Tenor nimmt nicht mal bei der letzten Nummer seine Sonnenbrille ab.Mit "Take me baby", dem ultimativen Brunftschrei der Techno-Generation, schickt er die Fans in den Frühling - wo sie auch hingehören.

ANDREAS KRIEGER

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