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Kultur: Können Mandarinen trösten?

"Nirwana Events" veranstaltet BuddhaVision 2000. "Nirwana Events"?

"Nirwana Events" veranstaltet BuddhaVision 2000. "Nirwana Events"? Und wir dachten immer, das Nirwana sei das Ende aller Events. Vor allem aber: War Buddha Cineast? Filmemachen ist Festhalten. Buddhismus, sagen die Buddhisten, ist loslassen. Filmemachen ist entschlossene Anhänglichkeit an die Welt des Sichtbaren. Buddhismus ist dessen Überwindung. Der Buddhist ist demnach der Anti-Cineast schlechthin.

Aber nehmen wir mal Kraft Wetzel, der die Idee hatte zu diesem 1. Berliner buddhistischen Filmfestival. Der ist Cineast und Buddhist. Ja, Cineast ist er schon viel länger als Buddhist. Oder Doris Dörrie, die Schirmherrin des Festivals. Regisseurin! Dürfen Regisseure ins Nirwana? Andererseits hat im letzten Jahr ein buddhistischer Mönch diesen Film über Fußball im Kloster gedreht. Und wir bemerkten sofort zwei Dinge. Der Ball ist rund. Das wahre Sein auch. Der Fußball ist demnach die Manifestation des unsichtbaren wahren Seins in der Welt der Sichtbarkeit. Vielleicht meint Kraft Wetzel es so mit den "buddhistisch inspirierten Augen"?

Buddhistisch inspirierte Augen sind Augen, die einen Ball sehen und nicht an Borussia Dortmund denken, sondern an das, was hinter Borussia Dortmund ist. Das Nirwana. So gesehen sind alle Borussia Dortmund-Fans potentielle Buddhisten.

Aber "Spiel der Götter" läuft gar nicht auf dem Festival. Dafür zwei andere Tibet-Filme. Heinrich Himmler vermutete hier den wahren "Ursprung der arischen Rasse" und schickte eine Expedition hinauf ("Geheimnis Tibet" 1939/39), Frank Capra aber suchte in "Lost Horizon" (1939; gezeigt wird die einzige Kopie des Films in Europa!) das legendäre Paradieses-Tal "Shangri-La".

Shangri-La ist in uns!, dachte sicher John Cage. Er war auch Buddhist. Und sein Werk, erklärte Wolf Krahl, der eins seiner letzten Konzerte filmte, sei die konsequente Anwendung einer buddhistischen Grundwahrheit: die Dinge geschehen lassen. Wolf Krahl trägt riesenhafte Kotelletten, die aussehen wie Ohrenklappen. Er hat sie wohl einfach geschehen lassen, genau wie Cage seine Musik. Deshalb "gibt" Cage auch kein Konzert, sondern er "empfängt" ein Konzert.

Vielleicht ungefähr so wie Robert Lax, der Gefährte von Jack Kerouac und Allen Ginsberg seine Gedichte. Gedichte dichtet man nicht, sondern man schreibt sie auf, wenn sie schon da sind. Lax ist dichtender Buddhist auf Patmos, schon 30 Jahre lang. "Coming of dark / Coming of live. Light cuts light / Light cuts shadow." Das Schöne an Lax Gedichten ist, dass sie keinen Anfang und kein Ende haben. Genau wie der Ball oder das wahre Sein. Buddhistische Bilder sind auch ein bißchen länger als normale Bilder. In dem Cage-Film "The sound of one hand clapping" sehen wir fast zehn Minuten lang klatschende Hände. Vielleicht, damit wir uns auf das Nirwana vorbereiten können. Nirwana, das Anti-Event, ist, wenn nichts mehr geschieht. Der Horror jeder Party. Positiv formuliert: Das Nichts geschieht.

Klar, dass man das nicht sehen kann. Trotzdem hat Thomas Lüchinger schon seinen zweiten Film ("Ein neuer Anfang") über den vietnamesischen Zen-Mönch Thich Nhat Hanh gemacht. Im ersten Film sahen wir, wie Thich Nhat Hanh atmet und erfuhren, dass es nicht gut ist, zu atmen und dabei noch an etwas anderes zu denken. Wir sahen Thich Nhat Hanh auch gehen. Menschen, die gehen, um irgendwo hinzukommen, gehen falsch, sagte er.

Wahrscheinlich hatte Doris Dörrie, die Schirmherrin des Festivals, auch "Schritte der Achtsamkeit" gesehen und schickte erstmal Uwe Ochsenknecht vor. Sozusagen als Testperson. Denn wenn er es schafft bis zur Erleuchtung - gehen ohne ankommen, atmen ohne denken -, haben wir dann nicht alle eine reelle Chance? Neben "Erleuchtung garantiert" läuft auch Dörries vielleicht persönlichster Film "Augenblick". Wir begegnen schon wieder Thich Nhat Hanh, aber auch zwei Raben, die über den Buddhismus streiten sowie Dörrie beim Mandarineschälen. Können Mandarinen trösten? Natürlich, sagt die Regisseurin, denn in so einer kleinen Mandarine ist der ganze Kosmos enthalten. Die Mandarine ist auch rund.

Doch "Augenblick" sagt mehr. Er dokumentiert die seltsame Erfahrung, dass wir uns nicht selbst trösten können. Dass wirklicher Trost aus jenen Schichten kommt, in denen nichts mehr ist von unserem Wollen. Aus den ich-losen Nirwana-Augenblicken eben.Bis 30. April in der Akademie der Künste; 1. - 10. Mai in der "Filmbühne am Steinplatz"

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