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In Deutschland erfolgreicher als die Beatles. Vladislav Balovatsky alias Capital Bra hatte schon Zoff mit Bohlen und Bushido. Seinem Erfolg schadet das nicht, im Gegenteil.

© Ferdinand Ehl/Universal

Koka, Scampis und Ferraris: Capital Bras neues Album zwischen Drogen und Luxussymbol-Sehnsucht

Der Berliner Rapper Capital Bra führt die Charts an und veröffentlicht schon wieder ein Album - und man wundert sich fast, dass er die Zeit dafür findet.

Als der Berliner Rapper Capital Bra vor ein paar Wochen auf Instagram die Veröffentlichung seiner Single „Cherry Lady“ ankündigte, tat er das zusammen mit einem Popstar, dessen große, vor allem musikalisch produktive Zeiten zwar Jahrzehnte her sind, den aber ganz Deutschland wegen seiner Mediendauerpräsenz nur allzu gut kennt: Dieter Bohlen. „Bratans, Bratinas, Braturas, auf jeden Fall heute um 0 Uhr“, begann Bra den Clip und Bohlen, mit Sonnenbrille und blond gefärbten Haaren, sekundierte: „Deutschland wird rasiert.“ Beide stießen dann die Finger steil hoch und skandierten gemeinsam, „von ihm, von uns, Cherry, Cherry Lady, wir rasieren alles“.

Tja, und so kam es: Das Modern-Talking-Cover von Capital Bra gelangte umgehend auf Platz eins der deutschen Single Charts. Und Pop-Deutschland hat ein neues Dream-Team: Bohlen/Bra. Das verwundert etwas bei der Vorgeschichte, die beide miteinander verbindet, lässt sich im Nachhinein aber auch als geschickt inszenierter PR-Coup interpretieren.

Bohlen hatte nämlich im Interview mit der „Bild“-Zeitung wegen seines Berliner Comeback-Konzerts gesagt, seine Songs würde immer noch jeder kennen, Modern-Talking-Songs wie eben „Cheri Cheri Lady“. Er glaube aber nicht, „dass in 35 Jahren sich noch jemand um Songs von Capital Bra juckt.“ Überhaupt sei das doch nichts mit dieser Angeberei im Deutsch-Rap, so Bohlen weiter: „Jeder rappt da über seinen Maybach und am Ende des Tages fahren die mit ihrem Fahrrad in ihre Zwei-Zimmer-Wohnung. Ich kenn’ keinen Rapper, der einen Maybach hat.“

Es ist Bras zwölfter Nummer-eins-Hit

Das war eine Steilvorlage, die ein Social-Media-Profi wie Capital Bra einfach aufnehmen musste. Er stellte ein Video als Reaktion auf Bohlen ins Netz. Darauf kann man das Innere seiner zweistöckigen Berlin-Mitte-Wohnung und seines Kleiderschrankes sehen, und er fragt seine beiden kleinen Kinder, was das solle mit Bohlen, warum der ihn so angehe. Dann schwenkt Capital Bra mit der Smartphone-Kamera nach draußen, wo die beiden großen, teuren Autos zu sehen sind.

Dieter Bohlen fand es witzig, der Boulevard hatte seine Geschichten – und nun wird Deutschland halt „rasiert“. Von einem Rapper, der 1994 als Vladislav Balovatsky irgendwo in Sibirien geboren wurde, erst im ostukrainischen Dnipropretowsk und von den frühen nuller Jahren an in Berlin-Hohenschönhausen aufwuchs. Nur braucht Capital Bra die Absolution eines Dieter Bohlen und den vor allem der Publicity dienenden Streit mit diesem wahrlich nicht. Seit zwei Jahren ist er einer der erfolgreichsten deutschen Popmusiker, wenn nicht im Moment der erfolgreichste. „Cherry Lady“ ist Bras zwölfter Nummer-eins-Single-Hit innerhalb dieser Zeit. Popstatistiker haben ausgerechnet, dass er damit sogar erfolgreicher als die Beatles ist. Sie brachten es auf elf Nummer-eins-Hits in Deutschland.

Am Freitag ist Capital Bras neues Album erschienen, sein inzwischen sechstes, nicht besonders originell „CB 6“ betitelt. Es sollte eigentlich erst in zwei Wochen veröffentlicht werden, wurde aber geleakt, dass heißt von unbekannter Seite vorher illegal ins Netz gestellt, weshalb Bra und seine Plattenfirma Universal die Veröffentlichung nun vorgezogen haben.

Womöglich ist der Leak ein Fake

Die Aufregung darum hielt sich in Grenzen. Zum einen ist einmal mehr unklar, ob der Leak nicht ein Fake ist, ein weiterer PR-Coup. Zum anderen spielt es bei dem Output des 24-Jährigen weiter keine Rolle, er gehört zu den fleißigsten, vielleicht auch getriebensten Rappern in Deutschland. Nicht zuletzt ist ein Viertel des Albums schon länger bekannt: Stücke wie „Benzema“, „Prinzess“, „Wir ticken“ oder „Capital Bra je m’appelle“ stehen seit Wochen in den Single-Charts, und erst vor einem halben Jahr ist mit „Allein“ das letzte BraAlbum erschienen, einfach mal so, ohne Vorankündigung.

„CB 6“ ist das erste Werk von Bra bei Universal, nachdem er vor einigen Monaten mit viel Getöse das Bushido-Label „Ersguterjunge“ (EGJ) verlassen hatte, ohne dort ein Album zu veröffentlichen. Der Grund war Bushidos Zusammenarbeit mit der Polizei, nachdem der Clan des umstrittenen libanesischen Geschäftsmannes Arafat Abou-Chaker die Entführung von dessen Kindern geplant haben soll. Capital Bra damals in einem Instagram-Video: „Ich bin nicht mehr bei EGJ, da mein Labelboss intensiv mit der Polizei arbeitet. Jetzt scheißt er Leute an, die Leute gehen in den Knast. Ich bin nicht für sowas. Polizei ist jetzt dein Team!“ Allerdings hörte man auch, dass sich Bushido und sein Umfeld die Marke „Capital Bra“ rechtlich sichern wollten, was wiederum auf den Widerstand von Bra gestoßen sein soll.

Man wundert sich fast, dass Bra bei den vielen Schauplätzen, auf denen er zugange ist, von Bushido bis Bohlen, immer wieder Zeit findet, Tracks zu produzieren. Aber wie heißt es in „Benzema“, dem Auftaktstück von „CB 6“: „Bin Stammspieler wie Benzema, roll im Benzer, Bra/ Zahl den Benzer bar, 160 K/ Bitches tanzen vor der Kamera/Capital aus Ukraine und nicht Drake aus Kanada.“ Mit anderen Worten: Der Stammplatz will verdient sein – und ein Rapper wie Drake ist dem Genre längst entwachsen und ein globaler Popstar. Ob Bra das schafft? Natürlich gründet sich sein Erfolg auf den sozialen Medien, die er erfolgreich bedient. Fast drei Millionen Aufrufe gab es beispielsweise für die „Cherry Lady“-Ankündigung mit Bohlen, das Video des Stückes selbst schauten sich bei Instagram zweieinhalb Millionen Menschen an. Doch gehört das mittlerweile zum Geschäftsmodell jedes Deutsch-Rappers. Wie es zu den Charts-Bestmarken kommt, ist dann auch nicht mehr so ein Geheimnis.

Vibraphon-Geklöppel begleitet die Beats

Bras Beats sind schleppend und schleifend, manchmal ein wenig schwerer und düster, manchmal lose und etwas dünn, von einigem Vibraphon-Geklöppel begleitet. Und seine bisweilen autogetunten Raps handeln überwiegend von der ewigen, inzwischen durchaus erfüllten Luxussymbol-Sehnsucht, („Von Berlin bis Paris auf Koka und Scampis/Ich steh’ auf Ferraris“), auch mal von einer Jugend als Dealer und einer Gegenwart auf diversen Drogen. Immer wieder schiebt er ein paar leiernde „Na-na-na-na-nas“ und „Ba-ba- bam-bam, ba-ba-bam-bams“ ein, und vielleicht sind es diese Silben im Zusammenspiel mit einer melancholischen Grundstimmung, die für die sofortige Wiedererkennbarkeit seiner Stücke sorgen.

Ob man die aber auch in dreißig, vierzig Jahren noch hört? Bei allem Erfolg ist Capital Bra doch noch zu sehr Underground, zu wenig Pop-Mainstream. Es fehlt ihm, sagen wir, um im Genre zu bleiben, ein Stück, wie es Pharrell Williams mit „Happy“ hatte. Gut möglich jedenfalls, dass der clevere Bohlen in dieser Hinsicht recht behalten könnte.

„CB 6“ von Capital Bra ist bei Universal erschienen. Am 7. und 8. Mai, tritt Capital Bra um 20.30 Uhr in der Verti Music Hall in Berlin auf.

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