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Geheimtipp im Osten der Peloponnes. Der kleine Ort Monemvasia.

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Kolumne: Alle Wetter (2): Wo das Meer leuchtet

Urlaubszeit ist Draußenzeit. Und wie war das Wetter?, fragen die anderen, wenn man aus den Ferien kommt. Diesen Sommer erzählen wir in unserer Kolumne Geschichten von Sonnenbrand bis Dauerregen.

Mit dem Wetter ist es wie mit den Kosten. Im Deutschen kennen wir auch das Unwetter und die Unkosten, aber beide bedeuten keine Negation. Immerhin gibt es das Kostenlose. Aber kein Wetter gibt es nicht. Wetter ist eine, wenngleich launische, Naturkonstante. Und doch habe ich in den Sommerferien einmal ein elementares Mittelding zwischen Wetter und Wunder erlebt, bei meiner ersten Griechenlandreise als Student, also eine Weile her.

Ein Freund und ich fuhren mit einem VW-Käfer und sonst wenig Geld über den legendären „Autoput“, die vor allem von Gastarbeiterbussen, Armeelastern und nachts unbeleuchteten Pferdefuhrwerken befahrene Balkanroute, quer durchs damals noch existente Jugoslawien zu den Meteora-Klöstern in Nordgriechenland. Dann weiter nach Athen, Delphi, Mykene, Olympia – bis an die beiden südlichsten Spitzen der dreifingrigen Peloponnes. Es war Juli/August, wir nächtigten meist im Freien, das war unter dem heißen südlichen Himmel am schönsten. Und manchmal auch abenteuerlich.

Der 1100 Meter hoch und einsam im Gebirge gelegene Apollotempel von Bassae, erbaut vom Architekten des Athener Parthenon, stand zu jener Zeit noch Tag und Nacht offen, und wir schliefen einfach auf den Stufen des Tempels. Mitten in der Nacht wurde ich kurz wach durch ein sonderbares Glitzern. Das waren um uns herum die Schlangen, die den noch warmen Stein suchten und auf deren Häuten silbern das Mondlicht leuchtete. Oder im alten Mistra bei Sparta, dort, wo Goethe im „Faust“ die klassische Walpurgisnacht spielen lässt, waren wir abends über einen Zaun geklettert und streiften durch die Ruinenstadt, wurden plötzlich von außerhalb mit Schrotflinten beschossen, von Jägern oder Wächtern.

Blitzlichtgewitter im Meer

Ab Sparta ging's dann über oft ungeteerte Straßen zu einem Ort, der einst noch ein „Geheimtip“ war. Monemvasia, an einem aus dem Meer aufsteigenden schroffen Bergkegel am östlichen Finger der Peloponnes gelegen und nur durch einen Fahrsteg mit dem nahen Festland verbunden, ist heute ein pittoresker Hotspot. Ursprünglich ein fast verlassenes byzantinisches Ruinendorf unterhalb einer Bergfestung, haben sich dort ein paar schicke Hotels und Restaurants eingenistet – und das Felsennest dient inzwischen auch deutschen TV-Krimis als Kulisse.

Wir aßen damals in der einzigen Taverne, lagerten an einem kleinen Steinstrand am Fuß der Stadtmauer und gingen bei 30 Grad Hitze um Mitternacht nochmal baden. Worauf im Wasser ein Blitzlichtgewitter losging. Wie ein Wetter. Doch nicht vom Himmel herab, sondern aus dem Meer heraus. Wir selbst waren plötzlich sprühende Schwimmer. Als fielen um uns herum Sternschnuppen oder ein Sommerschnee. Das war funkelndes Plankton. Jener Stoff, den heute die Fische in den Ozeanen mit Partikeln des weltweiten Plastikmülls verwechseln. Ich bin seitdem tausendmal in vielen Meeren geschwommen, ohne das je wieder zu erleben. Solch ein Seeleuchten. So ein fantastisches Un-Wetter.

Bisher erschienen: „Kugelblitz am Lago Maggiore“ (13. Juli)

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