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Szene aus "Drei alte Schachteln"

© Marguerite Kollo/Andre Böhm

Kolumne: Anhalter Bahnhof: Die Operettung naht!

Marguerite Kollo will es so: Die Operette "Drei alte Schachteln" kommt auf die Bühne zurück - allerdings bekommen die fraglichen Damen eine Verjüngungskur.

Evelyn Künneke war eine Frau mit Humor. In Anspielung auf den größten Bühnenhit ihres Vaters nannte sie sich „Die Fette aus Dingsda“. Was im Herbst ihres Lebens noch nicht einmal übertrieben war. Ende der 1990er Jahre, mit deutlich über siebzig, verbündete sie sich mit den ebenfalls reifen Diven Helen Vita und Brigitte Mira, für ein Chansonprogramm mit dem Titel „Drei alte Schachteln“. Was natürlich auch wieder ein Operetten-Titel-Recycling war, in diesem Fall eines einstmals höchst populären Werkes von Walter Kollo.

Gar nicht amüsiert von dem Titel-Klau zeigte sich damals Marguerite Kollo, Enkelin des Operetten-Komponisten und Gralshüterin des Kollo-Clans, zu der neben dem im Unterhaltungsbusiness ebenfalls äußerst erfolgreichen Vater auch noch der weltberühmte Wagnertenor René gehört. Denn in dem Berliner Schwank von 1917 geht es gar nicht um greise Ladys, sondern um ein Trio von heiratswilligen Junggesellinnen, die im ersten Akt um die 20, im zweiten dann lediglich acht Jahre älter sind.

Die Original-„Schachteln“ will Frau Kollo nun wieder auf die Bühne bringen. Im Admiralspalast, in jenem Gebäudekomplex am Bahnhof Friedrichstraße also, der erst ein multifunktionales Vergnügungsetablissement mit Eisbahn und römischen Dampfbädern war und 1955 dann zum Stammhaus des Metropoltheaters wurde. Hier glänzte die Operette, zuletzt unter der Intendanz von René Kollo, bis der damalige Kultursenator Peter Radunski das Haus 1998 erst schließen und dann abwickeln ließ.

Operette zum Vergessen des Krieges

Mithilfe ihrer „Europäischen Stiftung Operette“, die nach Marguerite Kollos Worten reich an Fachkompetenz, aber arm an finanziellen Mitteln ist, sollen Ende September nun also die „Drei alten Schachteln“ wiederauferstehen. Und mit ihnen der Geist der Berliner Volksoperette. Ein sentimentaler Geist wird das sein, erinnerungsselig und in historisch korrekte Zille- sein-Miljöh-Kostüme gewandet.

Mitten im größten Irrsinn des Ersten Weltkriegs kam die Operette heraus. Weil aber die Schöpfer laut Marguerite Kollo der Meinung waren, „den Menschen auch mal ein paar gefühl- und humorvolle Stunden gönnen zu müssen“, verzichteten sie bewusst auf jeden Bezug zum grausamen Geschehen an der Front. Wirklich? Angesichts von Militarismus, Hurra-Patriotismus und Heldentodverherrlichung lassen sich die Couplets der in der Uraufführung von Claire Waldoff gespielten Köchin Auguste durchaus politisch lesen: „Ach Jott, watt sind die Männer dumm!“

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