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Kolumne: Ausgehen: Lieber Punk als Wein

Mit fortschreitendem Alter muss man sich darüber klarwerden, was man inzwischen vom Ausgehen will: Leute gucken und laute Musik hören? Oder in Ruhe das berühmte "gute Gespräch" führen? Das scheint sich schrecklicherweise auszuschließen. Ein Klagelied auf die Barkultur.

Die Kollegin war wirklich erstaunt, als sie neulich mitbekam, wie ich mich nach einem langwierigen telefonischen Hin und Her schlussendlich im Hackbarth’s in der Auguststraße verabredet hatte. „Was willst du denn in dem ollen Laden? Ich wusste gar nicht, dass es den überhaupt noch gibt!“, rief sie aus – und schon befanden wir uns in so einer Art Leuchttürme-des-Nachtlebens-und- Altwerden-im-Nachtleben-Diskussion. Wobei es dabei weniger um Clubs als um Bars ging. Um Bars nämlich, in die man nicht nur geht, um einen Plausch zu halten oder sich zu betrinken, sondern weil diese auch sonst einen Besuch wert sind, von wegen Atmo, Style, Größe, Musik, andere Besucher und so weiter.

Das Hackbarth’s, das es tatsächlich seit Ewigkeiten gibt, also seit Anfang der neunziger Jahre, ist eine verlässliche Größe: Früher, als Mitte noch erschlossen wurde, galt es als zu schick und etabliert, gerade im Vergleich mit den zahlreichen improvisierten, halb legalen Mitte-Bars; heute ist es zart heruntergekommen und angeschmuddelt, aber wirklich nur ganz zart. Ja, es hat den Charme eines Dinosauriers und zudem mehr Stammgäste als Zufallsbesucher, da es weit genug von den touristischen Hotspots der Oranienburger Straße und des Rosenthaler Platzes entfernt liegt (die Galerienrundgänger lassen wir jetzt mal außen vor). In Friedrichshain und im freien, neuen Neukölln gebe es so was wie das Hackbarth’s nicht, erklärte ich der Kollegin, da ist alles gleich, da trifft man sich irgendwo, nicht gezielt in einem bestimmten Laden.

Es rockt einfach nicht

Tatsächlich ging es in unserem Gespräch auch darum, was man beim Ausgehen will: sich unterhalten, schön und gut was trinken, Leute gucken, Musik hören, einfach nur da und draußen sein? Oder das berühmte „gute Gespräch“ führen, den leckeren Wein trinken, was man natürlich überall kann, auch zu Hause, draußen dann allerdings mit Abstrichen. In holzgetäfelten Weinbars zum Beispiel bekommt man guten Wein, und ruhig ist es auch, aber das Drumherum ist doch öde. Kurzum: Es rockt nicht. Allerdings ist es auch wieder nicht so toll, in einem leeren Drei zu sitzen (Sie wissen schon, die beliebte Kölsch- Absturzkneipe mit der Prefab-Sprout- Dauerschleife hinter der Volksbühne!), so gegen halb zehn, sich unterhalten zu wollen, und dann Bonnie Prince Billy übermäßig laut um die Ohren zu bekommen, weil der Bedienung gerade danach ist (oder sie sich dem Prefab-Sprout-Diktat ihres Chefs zu so früher Stunde noch widersetzen kann).

Das erinnert an die Sonic-Youth-und Mudhoney-Beschallung seinerzeit im Café M – nur war man damals jung und anspruchslos und das M ein Leuchtturm mit Vergangenheit und auch noch einer gewissen Zukunft. Heute ist man alt, erinnert sich aber noch an die Ex ’n’ Pops, Grex’, Fischlabors und Niagaras der achtziger, an die Ibizas, Panasonics und Inits der neunziger Jahre, wo alles gleichermaßen cool und lässig und kaputt war. Das unlösbare Problem ist jetzt: Kaputtness, das Unfertige, Improvisierte und laute gute Musik gehen mit guten Gesprächen und Getränken einfach nicht zusammen.

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