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Verteidigungsministerein Annegret Kramp-Karrenbauer im afghanischen Kabul am 3. Dezember 2019

© REUTERS

Kolumne „Spiegelstrich“: Liebe AKK, ein Satz mit sieben Kommas bleibt nicht in Erinnerung!

„Wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich...“ – CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer verstreut in ihren Reden Kommas, selbst in einem entscheidenden Satz.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. Für den Tagesspiegel schreibt er seine wöchentliche Kolumne „Spiegelstrich“ über Sprache und Politik.

Eine exzellente freie Rede ist selten vollkommen frei. Sie will durchdacht und daher verfasst sein, also zumindest vorbereitet und sogar geübt – und dann möchte sie noch etwas, nämlich nicht vorgelesen und auch nicht heruntergerattert werden wie ein übelgelauntes Gedicht an Heiligabend durch ein noch übler gelauntes Kind.

Die exzellente freie Rede hat zudem ein aufregendes Thema sowie die gedankliche Frische und den Spannungsbogen einer guten Geschichte, und sie überrascht und fasst auch nicht gleich im ersten Satz alles zusammen, was folgen wird (ein beliebter Fehler, der in amerikanischen debating classes gleich in der ersten Stunde abtrainiert wird); und sie hat Humor und ist um kein Wort zu lang.

Womit wir zu Annegret Kramp-Karrenbauer kommen, deren entscheidender Satz der vergangenen Wochen dieser war: „Wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen halt, dann lasst es uns heute aussprechen, und dann lasst es uns heute auch beenden, hier und jetzt und heute.“

Die CDU-Vorsitzende sagte wirklich „halt“ und nicht „haltet“, sagte in einem Satz dreimal „heute“. 90 Minuten lang redete AKK auf jenem Parteitag; alles sei schon ganz gut und müsse aber noch besser werden, sagte sie, differenzierter wurde es nicht.

Sieben Kommas

Ein Satz übrigens, der als Zentrum einer Rede in Erinnerung bleiben soll, sollte „Yes, we can“ oder „I have a dream“ ähneln und keine sieben Kommas enthalten. (https://www.youtube.com/watch?v=rdLtAWMIixk)

Journalisten kennen das. Wenn sie sich sicher sind, weil sie am Ziel einer Recherche Klarheit erreicht haben: Dann gelingen Überschrift und These, handlungsstarke Sätze. Wenn nicht: nicht.

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

„Es wird jetzt in den nächsten Monaten auch darum gehen, wie diese Fortschritte nach vorne abgesichert werden können, wie wir sicherstellen, politisch, aber eben auch militärisch, dass die Entwicklungen auch im zivilen Bereich, wenn ich mir an der einen oder andern Stelle den Zugewinn an Freiheit auch insbesondere von Frauen anschaue, dass das nicht in einem großen Rollback endet“, sagte die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer laut SZ in Afghanistan. Ein Satz, sieben Kommas (oder auch Kommata, denn das kleine Komma gestattet gelassen beide Pluralformen).

Das Komma ist übrigens ein existenzielles Satzzeichen, es rhythmisiert und gliedert, zählt auf und trennt, ordnet, macht Wörter zu Worten und Sätze zum Text. Die Dichterin Kerstin Preiwuß vergleicht in ihrem liebesklugen Buch „Das Komma und das Und“ (Duden-Verlag) solche Sätze: A) Wir essen jetzt Opa. B) Wir essen jetzt, Opa. A) Nimm ein Gummi-Bärchen. B) Nimm ein Gummi, Bärchen.

Wahrscheinlich hat in der Antike Aristophanes von Byzanz die Satzzeichen erfunden: Er setzte Punkte, die damals noch keine grammatikalische Aufgabe hatten, sondern Redepausen anzeigten (welche wir Frau Kramp-Karrenbauer gleichfalls empfehlen möchten). Erst mit dem Buchdruck wurde das Komma berühmt.

Faustregel für Reden: mehr Punkte, weniger Kommas. Auch in Stephan Lambys Film „Die Notregierung“ können wir AKK indes beim Verstreuen von Kommas (und dem Aufschichten von Nebensätzen) erleben. (https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/die-notregierung/videos/die-notregierung-ungeliebte-koalition-video-102.html)

[Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer]

Zum Vergleich: „Dude gotta go“ – „Typ muss weg“, das sagte die Kandidatin Kamala Harris über den Präsidenten Donald Trump. Harris wiederum konnte nur reden und keinen Wahlkampf organisieren, weshalb sie nun Ex-Kandidatin ist; gewiss verteilen sich Kramp-Karrenbauers Fähigkeiten umgekehrt, was nachhaltiger sein dürfte.

Und als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, war selbst sie im rhetorischen Sinne Anfängerin. Heute hingegen … äh, nun, hmmm, wie komme ich zum Ende meiner Rede bloß aus dieser Falle wieder heraus?

Klaus Brinkbäumer

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