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"Greta muss an ihrem Wutmanagement-Problem arbeiten", findet US-Präsident Donald Trump.

© REUTERS/Andrew Hofstetter

Kolumne „Spiegelstrich“: Warum Donald Trump gegen Greta Thunberg pöbelt

Der Angriff von US-Präsident Donald Trump auf Greta Thunberg ist impulsiv und eitel. Doch nicht nur, seine Aggression ist auch berechnend.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. Für den Tagesspiegel schreibt er seine wöchentliche Kolumne „Spiegelstrich“ über Sprache und Politik.

Früher, ach wie lange ist das her, gab es doch eine Trennung: hier die Wirklichkeit, aufregend genug, und dort drüben die Fiktion, diese ganzen wüsten Filme und Comics, zu überdreht, um wahr zu sein. War es jemals so? Oder verklären wir wie die Briten alte Zeiten, die es nie gab?

Kein Mensch jedenfalls hätte sich, damals oder heute, die Geschichte ausgedacht, dass ein Präsident der USA ein 16-jähriges, unter dem Asperger-Syndrom leidendes Mädchen aus Schweden attackieren würde, weil er eifersüchtig ist.

Sie ist auf dem Cover von „Time“ und er nicht. Sie ist die „Person des Jahres“, die er so gern wäre, und er ist es nicht.

Darum also twittert Donald Trump, im Original inklusive der üblichen Rechtschreibfehler: „So lächerlich. Greta muss an ihrem Wutmanagement-Problem arbeiten, dann mit einer Freundin einen guten altmodischen Film gucken! Chill, Greta, chill.“

Trump erschafft seine eigene Nebenwirklichkeit

Der Mann twittert früh um sechs, dann den Tag hindurch, bis in den späten Abend und wieder frühmorgens, allerdings ohne Zuschauer, denn er möchte nicht, dass andere sehen, dass er eine Lesebrille braucht. Er kommentiert das Amtsenthebungsverfahren als „Lynchmord“ und „Hexenjagd“, nennt die Demokratin Nancy Pelosi „krank“ und „wahnsinnig“ und das eigene Handeln „perfekt“.

Dass er eine Nebenwirklichkeit erschafft, ist offensichtlich: Trump ist niemals bloß unschuldig, sondern seine Kritiker sind schuldig und bösartig, irre und sozialistisch. Die Zahl der Herzchen, Kommentare und Retweets lässt erahnen, dass sein Publikum süchtig ist.

Ich frage die Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Wehling, klügste Trump-Erklärerin, die ich kenne, was da geschieht.

Wehling, die in Berkeley in Kalifornien forscht, schreibt: „Er ist diskursiv in Bedrängnis, wird angegriffen. Was tut er? Er geht auf die Sachlage ein, tut das aber strikt über eigene Frames (Anm.: „Frames“ sind Themenfelder inklusive des Resonanzraums, also der Vorurteile oder Gefühle). Das ist strategisch klug. Und er eskaliert. Auch das ist strategisch klug. Er sorgt dafür, dass seine Deutung der Situation möglichst breit besprochen wird, ob negativ oder positiv. Medien und Demokraten machen aus seiner Echokammer eine Echoarena.“

Trump nutzt strategisch geschickt das Wort „Hexenjagd“

Ist Trump nicht einfach nur impulsiv? Zudem wüst und eitel?

Elisabeth Wehling schreibt: „Er ist all das, aber unterschätzen sollte man ihn nicht. Nehmen wir die Hexenjagd. Sie ist eine Kernstrategie. Erstens, Hexenjagden sind irrational und basieren auf Unwahrheit (Hexen gibt es nicht). Der Frame impliziert, dass Demokraten und Medien irrational handeln, eine Gefahr für das Land sind. Zweitens, Hexenjagden sind brutal und unmenschlich (Scheiterhaufen, Ertränken). Der Frame impliziert Gewaltbereitschaft bei Demokraten und Medien.“

Verliert Trump die Kontrolle

Ich frage: In den Wochen des Amtsenthebungsverfahrens hat Trump Ton und Frequenz seiner Twitterei erneut erhöht. Verliert er die Kontrolle?

Doch Elisabeth Wehling schreibt: „Nein, Trump war immer schon rhetorisch aggressiv und abwertend. Die Ideologie, für die er gewählt wurde, ist sozialdarwinistisch und autoritär. Das heißt Kampf mit allen (Diskurs-)Mitteln und eine angenommene Hierarchie unter Menschen auf Basis externer Attribute (Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Ideologie etc.). Rhetorische Aggression und Abwertung ist in diesem Denken nicht nur legitim, sondern Instrument der Selektion.“

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

Greta Thunberg kontert mit Humor

Man kann Aggression aber auch kontern, Witz ist kein schlechtes Mittel. Greta Thunberg hat ihre Twitter-Biografie geändert und stellt sich nun so vor: „Ein Teenager, der an seinem Wutmanagement-Problem arbeitet. Momentan chillend und mit einer Freundin einen guten altmodischen Film guckend.“ Rechtschreibfehler machte sie nicht.

Klaus Brinkbäumer

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