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Im Dissens vereint: Proteste gegen Trumps Luftschlag gegen Syrien am 8. April auf dem Union Square in New York.

© Spencer Platt/Getty Images/AFP

Kolumne: Trump und ich (9): K(l)eine Atempause

Amerika unter Trump? Unsere New Yorker Autorin berichtet regelmäßig aus ihrem Alltag mit dem neuen Präsidenten. Heute: auf der Suche nach der präsidentenfreien Zone.

Trump ist etwas gelungen, was niemand für möglich gehalten hätte: Er hat so etwas wie Einigkeit in Amerikas gespaltene Politik gebracht. Zumindest gibt es Leute in beiden Parteien, bei den Republikanern wie den Demokraten, die seinem Luftangriff auf Syrien zustimmen. Und es gibt Leute in beiden Parteien, die den Angriff kritisieren. Alle zusammen sind sie der Meinung, dass der Präsident bei künftigen Aktionen in Syrien den Kongress fragen muss, in dem es wie gesagt Kritiker und Befürworter auf beiden Seiten gibt. Womit wir wieder bei der gespaltenen Politik wären.

Einen Moment lang hat Trump Amerika jedenfalls wieder groß gemacht, so wie er es groß machte, als er so viele Menschen auf die Straße trieb, für Protestmärsche, Plakate schleppen, Demokratie trainieren ... Für unsere Gesundheit hat er definitiv einiges getan.

In der Warteschlange vor dem Cloisters-Konzert: Keiner redet über Trump!

Kleine Atempause: Jedes Jahr vor Ostern gehe ich zu den Konzerten mit geistlicher Musik im Cloisters Museum, dieser künstlichen Mittelalter-Burg im Norden Manhattans, wo die Europäer gucken können, wie die Amerikaner eben jenes Mittelalter herstellen, das die Europäer in jedem Dorf haben. Ich staunte: In der Kassenschlange hörte ich elf verschiedene Sprachen (wobei ich bei den Moldawiern nachfragen musste, was sie da reden). Es sang das sensationelle Ensemble Lionheart, ein auf Renaissancemusik spezialisierter A-Capella-Männerchor.

Vor Konzertbeginn lauschte ich Gesprächen über die Musik, die gleich erklingen würde, über Yorker Restaurants, das Ground-Zero-Mahnmal, das Einwanderermuseum auf Ellis Island und all die anderen Dinge, die man als Tourist in New York nicht verpassen darf. Es klang irgendwie seltsam, ich konnte erst gar nicht sagen, warum. Bis mir einfiel, dass ich das lange nicht gehört hatte: Niemand redete über Trump.

Beim traditionellen Seder-Dinner diskutieren wir bestimmt wieder über ihn

Keine Atempause: Diese Woche steht auch das Pessach-Fest an. Das jüdische Ritual des Seder-Mahls zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und allgemein an den Frieden ist konfessionsübergreifend in Mode gekommen. Du bist ein Niemand, wenn du nicht zu einem Dinner eingeladen bist, bei dem ein Rabbi und ein evangelikalen Pastor gemeinsam als Gastgeber auftreten. Nicht nur in New York übrigens. Bei meinen Studien über evangelikale Kirchen stieß ich von Georgia bis Idaho auf Gemeinden, die ihr Seder gemeinsam mit der örtlichen Synagoge und der Moschee feiern. Ich gehe dieses Jahr zum Seder bei Mary. Sie meinte, es würde bestimmt spät werden, wegen der Diskussionen über die Bedeutung der „Freiheit“ in der Ära von Trump. Sowas zieht sich.

Fazit: Christen diskutieren zu Ostern nicht über Trump, Juden zu Pessach schon. In meinen Augen liegen erstmals in 2000 Jahren Religionswettbewerb die Christen vorn.

Marcia Pally lehrt Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

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