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Komik: Schnapspralinen im Beutel

Marc-Uwe Kling geht mit neuen Geschichten vom kommunistischen Känguru auf Tour. Premiere ist im Heimathafen Neukölln.

Wenn er etwas ändern könnte, würde er heute Schokokekse nehmen. Schnapspralinen mag Marc-Uwe Kling nämlich wirklich nicht. Dass ihm Fans zu seinen Lesungen trotzdem schachtelweise Schnapspralinen mitbringen, ist die Schuld des Kängurus. Wessen auch sonst. Klings kommunistischer Mitbewohner ist süchtig nach alkoholhaltigen Süßigkeiten und verzehrt diese auch im gerade bei Ullstein erschienenen „Känguru-Manifest“, dem Nachfolger der „Känguru-Chroniken“.

„Ich hätte das Känguru lieber nach etwas süchtig machen sollen, das ich wirklich mag“, sagt Marc-Uwe Kling. Der Kreuzberger Kleinkünstler ist vieles: Liedermacher, Comedian, zweifacher deutscher Slam-Poetry-Meister und Autor. Känguru aber ist er ebenso wenig wie Ich-Erzähler, auch wenn in beiden sehr viel vom realen Marc-Uwe Kling steckt. Das Känguru ist als eine Art Alter Ego des Autors höchst gesellschaftskritisch, revolutionär und idealistisch. Obwohl immer umtriebig und pragmatisch, tut es den ganzen Tag eigentlich gar nichts, außer Nirvana zu hören, über seine Vietcong-Vergangenheit zu reden, Not-to-do-Listen aufzustellen und Anti-Terroranschläge zu planen. „Das Känguru würde argumentieren, dass das eine bewusste Verweigerung ist: Wenn es kein richtiges Leben im falschen gibt, dann macht man halt viel nichts“, erklärt Kling. Als Antikapitalist zahlt das Känguru keine Miete und schnorrt sich durch – so kam es als Zwischenmieter im ersten Teil der als Trilogie angelegten Geschichtensammlung von Marc-Uwe Kling und blieb unaufgefordert auf unbestimmte Zeit. Die absurde Tatsache, dass das Känguru ein Känguru ist, tut eigentlich nichts zur Sache. Außer, dass es als australischer Einwanderer Nicht-EU-Ausländer ist, was im dramatischen Ende des zweiten Teils, in einer Anspielung auf die Star-Wars-Trilogie, wichtig wird.

Überhaupt ist das Buch voller Hommagen, mehr an Filme als an Literatur. Die klassische Form der Trilogie reizte Kling. Und als Gegenspieler des Kängurus wählte er selbstverständlich einen Pinguin: als Anspielung auf Wallace & Gromit und Batman. Der Pinguin hört Scooter, fährt Sportwagen und geht einem geregelten Beruf nach. „Ich wollte den größtmöglichen Kontrast“, sagt Kling, „nicht nur was Lebensraum und Fortbewegung betrifft, auch von der Persönlichkeit, die man in ein Tier hineinprojiziert“. Der Konflikt zwischen den natürlichen Antagonisten spitzt sich im „Känguru-Manifest“ immer weiter zu und trägt zu einem weit größeren Spannungsbogen bei als noch in den „Chroniken“.

Marc-Uwe Kling beschreibt das Zusammenleben mit dem Känguru mit kurzweiliger Komik und wirft dabei einen äußerst selbstironischen Blick auf sein eigenes Künstlerdasein – welches das Känguru in den Fußnoten gern von „Künstler“ in „Kleinkünstler“ korrigiert, mit dem Hinweis „Anm. des Kängurus“. Überhaupt spielt Kling im zweiten Teil noch viel mehr mit Wirklichkeit und Fiktion, wie wenn der Ich-Erzähler mit der Redaktion der „Känguru-Chroniken“ beschäftigt ist.

Der 1982 geborene Kling ist ein aufstrebender Nachwuchskomiker. Im vergangenen Jahr gewann er den Deutschen Radiopreis in der Kategorie Comedy für seine Kolumne auf Radio Fritz. Zudem wurde er bereits mit diversen Kabarettpreisen ausgezeichnet und erhielt unter anderem in diesem Jahr den Senkrechtstarterpreis des Bayerischen Kabarettpreises. Im Gegensatz zu vielen jungen Comedians schreckt Kling nicht vor politischen Themen zurück, sondern verpackt sie in kluge Dialoge jenseits des Holzhammers. „Letztens hatte ich den Gedanken, dass jeder, der das Wort Gentrifizierung kennt, Teil derselben ist“, lässt er den Ich-Erzähler des „Känguru-Manifests“ sagen. Und das Känguru ordnet in Graffiti berühmte Zitate neu zu: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst. Kim Jong-il.“

Nach der Buchpremiere am heutigen Dienstag geht Marc-Uwe Kling mit seinem neuen Programm auf Tour. Es ist eine Mischung aus Kleinkunst und Lesung, durchsetzt mit eigenen Songs. „Känguru-Manifest 3 D“ nennt Kling das, schließlich sei er ja durchaus dreidimensional auf der Bühne erlebbar. „Außerdem sind Fortsetzungen immer 3 D“, sagt er und fordert die Zuschauer zum Mitbringen von 3-D-Brillen auf. Gern auch anstelle von Schnapspralinen.

„Das Känguru-Manifest“, Buchpremiere, Dienstag, 20 Uhr, Heimathafen Neukölln. „Känguru-Manifest 3 D“, 11. bis 15. Oktober im Mehringhoftheater

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