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Kultur: Komm an meine starke Brust...

... hör die Fanfare: Unni Straumes „Musik für Hochzeiten und Begräbnisse“

Ihr Mann hat Sara ein schönes Puppenheim gebaut: modern, lichtdurchlässig, in freier Natur gelegen, aber mit nur einem Eingang. Der serbische Dauergast, dem Sara den Keller vermietet hat, muss an ihrem Schlafzimmer vorbei, wenn er spät heimkehrt. Sie findet das aufregend. Ich mag Störungen, sagt sie Peter, ihrem geschiedenen Ehemann, ins Gesicht, als der für eine Nacht eine Schlafstatt sucht. Wir nordischen Frauen suchen die Balance zwischen Ordnung und Wildheit. Derzeit schlägt das Pendel im Leben der Schriftstellerin zur Wildheit aus.

Nicht weil ihn solche Sätze verstören oder die gestörte Ordnung im Haus den Stararchitekten fassungslos macht, schießt sich Peter in dieser Nacht in den Kopf, sondern weil er an sich selbst gescheitert ist. Helen und Kaja, die herbeigeeilte zweite Ehefrau sowie die Studentin und Geliebte, können davon ein Lied singen. Peter bleibt nicht die einzige Leiche in diesem norwegischen Beziehungsdrama. Sara lässt die Erinnerung nicht los, wie ihr Sohn vor Jahren tot auf dem Kellerboden lag, weil die Treppe kein Geländer haben durfte. Und wie zur Bestätigung des nordischen Todestriebes erzählt der junge Kellner, der ihr Abwechslung bietet, vom Suizid seiner Mutter.

Unni Straume, die auch das Buch schrieb und als eine der führenden Regisseurinnen Norwegens gilt, fügt ihrer Geschichte ein nettes Happyend an. Bogdan ergreift die Initiative, schlägt eine Öffnung für eine zweite Tür in die Kellerwand und zieht die erleichterte Sara an seine starke Brust. Im Grunde ist der Film freilich von Anfang an harmlos. Die Leiden einer Nora, die vergeblich an den Gitterstäben der Ehe rüttelte, liegen weit außerhalb von Saras Erfahrung. Die Schriftstellerin braucht einen neuen Anschub zum Schreiben. Ihr Mann hat sie durchschaut, aber das nützt ihm nichts mehr, nur ihr. Und doch ist der Film voller Spannung und Konzentration. Könnte das Gebäude der Selbstsicherheit nicht wieder zusammenbrechen?

Die Gelassenheit auf dem Gesicht von Lena Endre in der Hauptrolle, einer Bergman-Schülerin mit großer Theater- und Filmerfahrung (unter anderem wirkte sie an „Die besten Absichten“ und „Jerusalem“ von Bille August mit), wird angefochten, aber am Ende belohnt. Björn Floberg als Peter setzt die um Selbstbeherrschung bemühte Miene eines Mannes, der jedes Ding gern an seinem Platz stehen sieht, überzeugend dagegen. Für die Rolle des Trösters und lachenden Dritten Bogdan gewann Unni Straume den serbischen Starkomponisten Goran Bregovic, der für viele Filme von Emir Kusturica die Musik schrieb. Der trinkfeste Faun darf nun auf nordischem Grund die Fanfaren der Anarchie ertönen lassen. Harald Paalgards Ruhe hinter der Kamera schafft die nötige Distanz zum Kammerspiel. Seine Bilder, die Gesichter und die verzweifelt-lustigen Trompetenstöße vom Balkan überdauern.

In den Kinos Balazs, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento, Neue Kant Kinos

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