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Kommentar: Die Erotik der Festreden

Christine Wahl freut sich auf einen Gedenkmarathon.

Morgen werden sich die performativen Angebote zu Mauerfall und Wiedervereinigung überschlagen. Von einigen intelligenten Projekten abgesehen, darf man – wie bei solchen Anlässen üblich – einer nach unten durchaus offenen Folklore- und Peinlichkeitsskala erwarten. Wer sich die volle Dosis geben will, sollte sich unbedingt das Format Spielplan Deutschland im Theaterdiscounter (20 Uhr) vormerken. Dessen Crew zappt sich an einem einzigen Abend durch die Gedenkprogramme sämtlicher Bühnen des Landes – von Aachen bis Zittau. Und zwar in Echtzeit und mit Powerpoint-Präsentation. Hier geht einem kein Klassiker, keine Uraufführung und keine Festrede durch die Lappen, die an diesem Abend in irgendeiner Ecke der Republik über die Rampe geht.

Dresden ist zum Beispiel mit der Bühnenversion von Ingo Schulzes Roman „Adam und Evelyn“ vertreten, der den 1989er Umbruch mit gebotener Ironie auf der Folie der Schöpfungsgeschichte erzählt. Und vom Berliner Bühnengeschehen kriegt man gleich drei Produktionen zum Discounter-Preis von einer. Das rührige Theaterteam beamt sich in die Volksbühne, wo mit dem „Bauch“ Emanzipation und Machismo im real existierenden Sozialismus verhandelt werden. Anschließend wird zur Aufarbeitung von Lebenslügen ins Deutsche Theater gezappt, wo die „Wildente“ und in den Kammerspielen der „Woyzeck“ auf dem Plan stehen.

In einer Art Pressekonferenz kommt honoriges Personal zu Wort, um die Intendantenprosa der Spielzeithefte zum Besten zu geben. Wer den Abend verpasst, bekommt am Mauerfall-Jahrestag, dem 9. November, eine zweite Chance.

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