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Kommentar: Schöner Abend

Bernhard Schulz über Sozialtickets für Arbeitslose.

Drei Euro kostet es an der Abendkasse, wenn man ins Theater, ins Konzert oder in die Oper gehen will. „Man“ – das heißt, so man zu denjenigen auf der Schattenseite der sozial mobilen Gesellschaft zählt, die ihren Lebensunterhalt von Arbeitslosengeld II – vulgo Hartz IV – oder gar Sozialhilfe bestreiten müssen. Und auch dann heißt es mobil sein, denn die „Drei-Euro-Tickets“ werden erst kurz vor Veranstaltungsbeginn aus dem gegebenenfalls unverkauften Restbestand abgegeben. Da kann „man“ vorab nie wissen, ob sich noch ein Billigkärtlein findet.

Nun denn, besser für drei Euro ins Theater gehen, als auf dem Sofa über die Schlechtigkeit der Welt grübeln – die einem, dies nebenbei, im Theater bisweilen so anschaulich-gruselig vorgeführt wird (Volksbühne!), dass der Betrachter sich allemal auf der besseren Seite wähnen darf. Oder doch lieber alternativ in den Friedrichstadtpalast, wo einem die Mädels einen schönen Abend vortanzen wie weiland die Tiller-Girls während der Weltwirtschaftskrise?

Doch der hehre Vorsatz der Kulturpolitik, mit dem Billigticket Menschen ein Kulturerlebnis zu ermöglichen, die sich Normalpreise nicht leisten können, findet wenig Widerhall. Gerade einmal 25 374 Tickets wurden seit deren Einführung im Mai 2005 bis Ende 2007 losgeschlagen. Woraus die Kulturverwaltung flugs 25 374 „sozial schwache Berliner“ zaubert, als ob nicht manch kulturhungriger Hartzianer gleich mehrfach vor die Tür gegangen wäre! Wie auch immer, es ist dies keine rühmenswerte Zahl. 400 000 ALG- und Sozialhilfeempfänger werden in Berlin geschätzt, und nicht einmal sieben Prozent von ihnen sind für kulturelle Abendveranstaltungen zu begeistern. Im Verlaufe von 32 Monaten, wohlgemerkt. Staatssekretär André Schmitz, allein schon vom Habitus her das idealtypische Gegenteil eines Bedürftigen, fordert jetzt offensivere Werbung, „damit noch mehr Menschen von diesem Angebot Gebrauch machen“. Noch mehr! Was für ein Euphemismus!

Soll man wetten, dass die restlichen (mindestens) 93 Prozent der Berliner Hartzianer einen Fernseher zu Hause haben, mit dessen Hilfe die trägen Stunden vorüberziehen? „Haben Sie schon GEZahlt?“ Keine Frage. Schon gar nicht an der Abendkasse.

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