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Kultur: Konferenz der Tiere

Rückblick von A bis Z: die schönsten Szenen, die verrücktesten Momente, die angesagten Themen

Architekten mausern sich in deutschen Filmen zum Synonym für Loser-Typen. Beispiele: Lars Eidinger in Maren Ades „Alle Anderen“, André Hennicke in Sebastian Schippers Forums-Film „Mitte Ende August“ und Sepp Bierbichler in „Der Architekt“ von Ina Weisse.

Bettwäsche in Berliner Nobelhotels sieht anders aus, wenn man gesehen hat, wie sich polnische Wäscherinnen für einen Billiglohn abrackern, damit die Laken makellos weiß und gemangelt in die Hauptstadt zurückkehren – in Hans Christian Schmids Dokumentarfilm über „Die wundersame Welt der Waschkraft“.

Corn, auf Deutsch Mais, ist das große Feindbild im Kulinarischen Kino. Wird auf Kosten regionaler Früchte weltweit von ein paar Großunternehmern angebaut und befindet sich in fast jedem Nahrungsmittel, klärt der Film „Food, Inc.“ auf. In den Berlinale-Kinos gibt es kein Popcorn, nie!

Deutschland war mit einer Rekordanzahl von 98 Filmen auf der 59. Berlinale vertreten. Deutschland 09? Deutschland 98!

Europudding ist in diesem Jahrgang ein besonders beliebtes Gericht. Man nehme: Schauspieler aus mindestens fünf Ländern, Geld aus zehn, Schauplätze rund um den Globus und eine Story, in der alles mit allem zusammenhängt. Heraus kommt: „Mammoth“, „Sturm“, „The Countess“, „Dust of Time“.

Fliegende Babys, ein neuer Trend: François Ozons „Ricky“ wachsen Hähnchenflügel, Joshua, Dani Levys Sohn, fliegt in „Deutschland 09“ davon, sucht die Kanzlerin heim und erlebt einen Großauftritt als neuer Führer.

Globalisierung ist nicht leicht zu verfilmen. Wird aber immer mehr versucht, in weltumspannenden Episoden produktionen à la „Mammoth“, mit Migranten-, Flüchtlings- und Hungergeschichten („Eden is West“, „Coyote“, „Garapa“) oder mit Politessays nach Naomi Klein („The Shock Doctrine“).

Hüte sollten jedes Jahr einen Sonderbären bekommen. Wer trägt heute noch Hut? Die Kreationen von Michelle Pfeiffer in „Chéri“ toppen konkurrenzlos die Kollektion 2009. Bei der Kleidermode gewinnt Kathy Bates’ orangefarbenes Zirkuszelt von Morgengarderobe.

Ingwerknollen eignen sich als Aphrodisiakum, wenn man sie zum kostbarsten Stück des Mannes zurechtschnitzt. Siehe Schnappi, in „Alle Anderen“.

Jaguar, schlägt der Sohn beim Autokauf in „My One and Only“ vor. Renée Zellwegger will lieber was Praktisches. „Gut, dann einen Chevy.“ Zellweger: „So praktisch nun auch wieder nicht.“

Küchenrollentürme stürzen im Supermarkt in „Gigante“ zusammen, weil die Putzfrau nicht aufpasst. Der schüchterne Nachtwächter sieht es auf dem Überwachungsmonitor, um seiner angebeteten Julia später einen winzigen Kaktus zwischen die Regale zu stellen. „Du kleiner Stachelkaks, du bist kein Bohnerwachs, kein Gewächs, das die Liebe sich pflückt ...,“ dichtete einst Ringelnatz.

Liebe zwischen alten Frauen und jungen Männern hat Konjunktur. Zu sehen war sie in „Der Vorleser“, „Tatarak“, „The Countess“, „Chéri“, „Eden is West“ und „The Private Lives of Pippa Lee“.

Mozart hat Tilda Swinton 1988 in einer österreichischen Theaterproduktion gespielt, die im Hebbel am Ufer gastierte. Als die Jurypräsidentin dort zum Talent-Campus-Gespräch eintraf, erinnerte sie sich: „Es gab Aufregung – nicht weil ich als Frau Mozart spielte, sondern weil ich keine Österreicherin war.“

Nacktszenen waren das Thema auf der Pressekonferenz mit Kate Winslet. Die Schauspielerin, hochgeschlossen in grau-schwarzem Kostüm, nimmt’s entspannt. Gehört halt zum Job dazu. Presseberichte über sich liest sie ohnehin nicht.

Oper und Kino sind enge Verwandte. Chen Kaiges „Forever Enthralled“ über einen Pekingopern-Star ist der Kommentar zur Berliner Operndebatte. Altmodisch, reformunfähig, teuer. Archäologie der Künste.

Propagandavorwürfe gab es gegen den Regisseur von „Letters to the President“, der den Propagandaapparat von Irans Präsident Ahmadinedschad entlarvt. Das Problem: Die Protestierenden hatten den Film gar nicht gesehen.

Quentin Tarantino vermasselte Daniel Brühl diverse Berlinale-Auftritte auf dem Roten Teppich, etwa bei Julie Delpys „The Countess“ oder Florian Gallenbergers „John Rabe“. Brühl spielt bei „Inglorious Basterds“ mit, der Film war während der Berlinale noch nicht abgedreht. Nun ist Tarantinos NS-Film für Cannes im Gespräch.

Rauchen ist wenigstens vor der Kamera noch erlaubt. Vor allem Frauen lassen genüsslich den blauen Dunst aufsteigen: Inga Busch in „Ghosted“, Robin Wright Penn in „The Private Lives of Pippa Lee“, Heike Makatsch in „Hilde“, Krystyna Janda in „Tatarak“ und Julia Jentsch in „Effi Briest“.

Schafe sehen dich an – und der Kinosaal lacht. „Sweetgrass“ im Forum, hunderte Schafe im Gebirge von Montana, Schafsköpfe, Schafsrücken, Schafsbabys, Schafsblöken, Schafsschabernack – der beste Schafsfilm aller Zeiten.

Tiere sehen dich an, auch anderswo,in großen Mengen. Das weiße, herrenlos galoppierende Pferd in „One Man Village“, die Kühe dort im Stall, die vor der Kamera einen Ohrknick(s) machen. Die Zirkushündchen und das vornehme Lama in „Calimucho“. Elefanten in „Mammoth“. Tauben, Esel, Papageien ... die Berlinale, eine Konferenz der Tiere.

Uruguay als aufstrebendes Filmland: Der Debütfilm „Gigante“ nahm als erste Produktion in der Geschichte des Landes an einem A-Wettbewerb teil – und gewinnt gleich drei große Preise.

Vaujour, Michel, ist der Ausbrecherkönig in „Ne me libérez pas“. Immer wieder ausgebüchst, immer wieder eingefangen. So einfallsreich die Ausbruchsversuche waren, so unfähig ist er zum Leben in Freiheit. Ein Rollenmodell?

Würste, Gehacktes, Fleischwaren – nie wieder. Wer Sepp Bierbichler im Panorama als „Knochenmann“ gesehen hat, verlässt das Kino als Vegetarier.

X-Verleih ist mit „The Countess“ mal wieder international aktiv. Der X-Filme-Gründer Tom Tykwer ging mit „The International“ stattdessen zu Sony.

Yes Men blockierten den roten Teppich der Cinema-for-Peace-Gala. Andy Bichlbaum und Mike Bonanno, deren Film „The Yes Men Fix the World“ im Panorama lief, hopsten als Stoffblasen kostümiert auf die Stufen des Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Sie protestierten gegen den Sponsor BMW.

Ziegen hatten den Tierreigen (siehe S u. T) eröffnet: die singenden Ziegen im Robert -Wise -Musical „The Sound of Music“ zu Beginn der 70-Millimeter-Retrospektive. In der Pause des 174-Minuten-Films trällerte es auf dem Damenklo aus jeder Kabine. It might get loud.

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