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Kultur: Konrad R. Müller: Falten und Glätte

Kanzlerfotograf ist ein Titel, den man sich erarbeiten muss. Erst vor wenigen Wochen reiste Konrad Rufus Müller nach Mallorca und fotografierte dort den aktuellen Kanzler, wie ihn Frau Doris von hinten umschlingt: so, wie sich beide sich wohl gerne selbst sehen.

Kanzlerfotograf ist ein Titel, den man sich erarbeiten muss. Erst vor wenigen Wochen reiste Konrad Rufus Müller nach Mallorca und fotografierte dort den aktuellen Kanzler, wie ihn Frau Doris von hinten umschlingt: so, wie sich beide sich wohl gerne selbst sehen. Es ist ein Bild, getreu dem Namen der Ausstellung, die das Deutsche Historische Museum dem Fotografen Müller widmet: Schröders sind "Terra Cognita".

Kanzlerfotograf klingt ihm vielleicht zu sehr nach Hoffotograf. Er sei, sagt Müller, ein Künstler. Ein Künstler, der unter vielen anderen alle deutschen Kanzler fotografiert hat, vom "großartigen, uralten Jahrhundertkopf" Adenauers bis zu Schröder im Urlaub. Dazwischen: Helmut Schmidt flüchtig aus der Ferne, Kiesinger distanziert und Erhard wohlwollend. Vor allem bei Brandt und Adenauer nutzt Müller die körperliche Nähe, die ihm alle Kanzler offensichtlich zugestehen, zu erstaunlich zärtlichen Bildern. Die alten Hände Adenauers und die Falten im Gesicht Brandts stammen bei ihm aus einem Heldenepos. Ein Patriotismus, der sich physiognomisch abzeichnet: "Das Amt hat sich noch in jedes Gesicht geschnitten".

Über Gerhard Schröder schreibt Müller, dass der noch Zeit brauche. Die inzwischen oft nachgedruckten frontalen Porträts Schröders spiegeln diese Glätte ein wenig hilflos wieder. Müller scheint das bei Schröder zu spüren: "Ein Spitzenpolitiker ist auch ein Schauspieler." Eher müsste man sagen: ein Model. Zu genau wissen diese Politiker, wie sie am besten wirken. Fischer, mit dem Müller angeblich befreundet ist, weiß das, auch Rau, Mitterand und Kreisky wussten es, auch Golda Meir und Sadat. Müllers Politiker-Bilder umgibt so eine gewisse Immanenz: Es kommt zu einem ästhetischen Konsens, mit dem, wie es heißt, alle gut leben können. Müller verteidigt diese Nähe: "Es ist leicht und bequem, einen Menschen mit der Kamera lächerlich zu machen. Sich ihm auf honorige Weise zu nähern, erfordert Engagement und Geduld". Das ist - für einen Fotografen - eine erstaunliche Sprache.

Dass dieser Satz zugleich die Bilder von Helmut Kohl einleitet, mag der Fotograf als Absicherung gemeint haben, wie er auch betont, von Kohl als "Soz" und "Beutelschneider" bezeichnet worden zu sein. Doch auch aus den Aufnahmen vom letzten Kanzler, an dem sich Müller "zehn Jahre lang abgearbeitet hat", spricht nichts Hässliches. Kohl drückt in seinem Garten eine Katze an seinen Bauch, ein wenig ungeschickt, ein wenig brutal vielleicht, doch entlarvend ist daran nichts. Das verschmitzte Großformat von Kohl mag sogar eines der sympathischten Bilder des ehemaligen Kanzlers sein.

"Terra Cognita" zeigt eine bundesrepublikanische Welt, die am selben Ort vor kurzem in anderer Version von der Fotografin Barbara Klemm vorgestellt wurde. Müllers Fotos sind die, die "Stern" und "Spiegel" immer wieder als Titel genutzt, die das Bild vor allem Adenauers und Brandts geprägt haben. Sie sind, wie Müller seine Arbeit Mitterand gegenüber charakterisierte: nah, aber nie indiskret. Weniger gilt das für Müllers "Terra Incognita", die sich der Politiker-Parade anschließt - seinen großen Bildern von verformten Föten.

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