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Konstantin Grcic im Interview: "Für mich ist es wichtig, nicht in die Falle der Selbstreferenz zu tappen"

Designer-Größe Konstantin Grcic stellt in der Galerie Max Hetzler erstmals in einer Kunstgalerie aus. Ein Gespräch über das Verhältnis von Kunst und Design, Spielwitz und seinen berühmten Gitterstuhl.

Herr Grcic, sind Sie ein Bewunderer Jacques Tatis und seines Werks? Heißt die Ausstellung nach Tatis berühmtem Film „Playtime“?

Tati mag ich natürlich. Wenn ich die Ausstellung „Playtime“ nenne, dann ist mir der Bezug zum Film bewusst. Aber es geht nicht vorrangig um Tati.

Der Titel lässt auf einen gewissen Spielwitz schließen, den ich mit ihren Entwürfen eher verbinde als den Humor, der ihrem Design immer wieder unterstellt wird.

Spielwitz gefällt mir. Meine Arbeit beinhaltet immer auch ein Spielen: Dinge auszuprobieren, Zufälle möglich zu machen. Natürlich ist die Arbeit im Kern ernst. Umso wichtiger ist es, sich eine gewisse Leichtigkeit zu erhalten. Meine Lust, Ausstellungen zu machen, hat auch damit zu tun, dass ich die von mir entworfenen Dinge sehr selten wirklich anwenden kann. Die Ausstellung ermöglicht mir eine Form des Spiels mit den eigenen Produkten.

Was war die Ausgangsidee der Ausstellung? Gab es eine?

Eigentlich nicht. Max Hetzler hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, eine Ausstellung zu machen. Es hat mich gereizt, „ja“ zu sagen, ohne zu wissen, was ich konkret machen wollte.

Wie kam der Kontakt zu Hetzler zustande?

Wir kennen uns, weil ich seine Galerie besuche. Bei einer Gelegenheit hat er mich angesprochen, und es stellte sich heraus, dass er Möbel von mir besitzt. Das Angebot, eine Ausstellung in seinen Räumlichkeiten zu machen, hat somit sicherlich auch einen persönlichen Hintergrund. Ich fand das überraschend, dass eine Kunstgalerie einen Designer einlädt. Ich reihe mich mit meiner Schau ja nicht in den Kanon der Ausstellungen ein, die hier typischerweise stattfinden.

Um das Verhältnis von Kunst und Design wird immer wieder gerungen. Galerien spezialisieren sich auf „Design Art“, Kritiker polemisieren dagegen. Sie stellen jetzt erstmals Ihr eigenes Design in einer Kunstgalerie aus. Ist das eine Positionierung? Sehen wir hier Design oder Kunst?

Wenn ich meine Arbeit in einer Galerie zeige, bedeutet das nicht, dass ich dadurch zum Künstler werde. Die Dinge bleiben auch hier Designobjekte. Die Galerie schafft einen ungewöhnlichen Kontext. Das ist eine Herausforderung. Der leere Raum, die weißen Wände, das Neonlicht, der graue Boden - all das schafft eine Überhöhung, die meine Arbeit sonst nicht erfährt. Meine Möbel stehen sonst im Showroom einer Möbelfirma, auf einer Messe, bei jemandem zu Hause oder in öffentlichen Räumen. Der Kontext Kunstgalerie ist für mich interessant, aber vorrangig, um damit zu spielen.

Die beiden „Pallas“-Tische, die es sonst als Serienprodukt gibt, stehen hier mit einer anderen, hoch glänzenden Lackierung, in einer limitierten Auflage und haben mit 15 000 Euro auch einen anderen Preis.

Wir zeigen in der Mehrzahl Dinge, die wir für die Industrie entwickelt haben, aber in einer Ausführung, die es kommerziell so nicht gibt. Die Hochglanzlackierung der beiden „Pallas“-Tische ist aufwändiger als die Pulverbeschichtung der Serie. Da vorne steht ein Holzstuhl, der ist über Jahre verwittert. Es gibt einen Kunststoffhocker, den die Industrie einen Bastard nennt: Bei einem Farbwechsel in der Spritzgussmaschine entstehen Möbel, die dann - beim Farbwechsel von Weiß auf Rot etwa - weiß und rot sind. Solche Teile werden normalerweise entsorgt. Für die Industrie ist dieses Ding nutzlos. Ich nehme es aus dem Prozess und stelle es hier aus.

Ihr berühmtestes, meistens angesprochenes, am häufigsten abgebildetes Möbel ist der „Chair_One“.

Es ist richtig, dass „Chair_One“ das bekannteste Möbel von mir ist. Es ist natürlich fantastisch, dass es so etwas überhaupt gibt. Gleichzeitig kann es ein Problem sein, wenn man auf das eine bekannte Ding reduziert wird. Für mich ist es wichtig, nicht in die Falle der Selbstreferenz zu tappen. Es gibt Künstler, die eine ganze Karriere lang an einem Thema arbeiten, darunter die besten Künstler der Welt. Dan Flavin zum Beispiel hat irgendwann angefangen, mit Neonröhren zu arbeiten und dieses Thema nie wieder losgelassen. In seinem Fall finde ich das großartig. Aber auf meine Disziplin übertragen ist es unspannend. Ich strebe danach, immer wieder neue Ideen auszuprobieren. Das hat auch ein gewisses Risiko. Man betritt unbekanntes Terrain und stellt sich Aufgaben, die man nicht völlig einschätzen kann. „Chair_One“, dieser Gitterstuhl aus Aluminium, war so ein Beispiel. Es ist das Ergebnis langjähriger Versuche, einen Stuhl zu bauen, der ausschließlich aus Konstruktion besteht. In dem Moment, in dem der Stuhl fertig war, war das Projekt für mich abgeschlossen.

Ist der „Pallas“-Tisch ihr Lieblingsstück? Sie hatten Ihn auch für Ihre Ausstellungen im Vitra Design Museum und in der Kunsthalle Bielefeld ausgewählt.

„Pallas“ gehört auf meine Liste persönlicher Lieblingsstücke. Hier zeigen wir ihn mit zwei unterschiedlich roten Autolacken. Rot ist eine assoziative Farbe, bei einem roten Auto denkt man an einen Sportwagen. Ich finde, dass etwas von diesem Gefühl auf die Tische abfärbt. Wir haben sie auch wie Autos in der Galerie ausgestellt, als stünden sie in Parkbuchten. Das ist das Spiel damit.

Sie stellen überhaupt gerne und viel aus, Ihre eigenen Designs, aber auch die anderer. Ist an Ihnen ein Kurator verloren gegangen?

Nein. Ich mag Ausstellungen - vor allem als Besucher. Nicht nur wegen der Arbeiten, die man dort sieht. Ausstellungsgestaltung ist eine spannende Disziplin, und sie beinhaltet viele Parallelen zu meiner Arbeit als Industriedesigner. Es gibt auch hier den Anspruch an die Funktion: Eine Ausstellung sollte informieren und unterhalten. Es bedeutet aber nicht, dass ich große Ambitionen als Kurator habe. Ich kenne echte Kuratoren, ich habe zu viel Respekt vor dem, was die leisten.

Warum sind Sie kein Künstler geworden? War das einmal eine Option?

Meine Mutter hatte eine Galerie für zeitgenössische Kunst. In meiner Kindheit spielte das eine große Rolle. Ich erinnere mich daran, dass oft Künstler bei uns zuhause waren. Meine Schwester und ich durften bei Atelierbesuchen dabei sein, das hat mir am meisten imponiert. Ich mochte den Lebensentwurf der Künstler, der Arbeit und Leben verbindet. Als es für mich nach dem Abitur darum ging, was ich werden wollte, habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich an der Kunstakademie zu bewerben, aber dann eine Schreinerlehre gemacht. Heute bin ich sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Über das Handwerk habe ich meine Leidenschaft für Design entdeckt, im Speziellen für Möbeldesign.

Ihr Büro ist in München, Ihre Familie lebt in Berlin, Sie wohnen in beiden Städten.

Ja, ich lebe in Berlin, mein Büro ist in München. Aber auch hier in Berlin habe ich ein kleines Büro.

In Berlin geht es ja meistens um die Kunst. Hat Berlin überhaupt so eine Design-Szene wie München?

Es wird behauptet, dass München eine Design-Stadt ist. Das liegt vielleicht daran, dass sich im Umfeld von BMW, Siemens, Audi eine gewisse Szene an Büros und Dienstleistern angesiedelt hat. Es gibt eine Vielzahl guter Designer - das schätze ich sehr. Aber ich will nicht behaupten, dass es das in Berlin nicht auch geben würde. Die beiden Städte sind sehr unterschiedlich, aber am Design liegt das nicht.

Ein Komplettumzug ist aber keine Option?

Das Modell dieser beiden Standorte und die Unterschiedlichkeit der Standorte empfinde ich als große Bereicherung.

Galerie Max Hetzler, Goethestr. 2/3, bis 23.12.; Di bis Sa 11-18 Uhr.

Das Gespräch führte Jens Müller.

Jens Müller

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