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Kultur: Kontra Kitsch

Daniel Libeskinds Architektur stößt in New York auf Kritik

Im vergangenen Herbst sonnte sich das beim Publikum ohnehin beliebte Jüdische Museum Berlin im zusätzlichen Erfolg seiner Ausstellung „Kontrapunkt. Die Architektur von Daniel Libeskind“. Hauptanziehungspunkt war der Entwurf für Ground Zero, das Gelände des beim Terroranschlag vom 11. September 2001 zerstörten World Trade Center in New York. Im Februar vergangenen Jahres hatte Libeskind den Wettbewerb für die Neubebauung von Ground Zero mit seinem mitreißenden Vorschlag eines 540 Meter hohen, buchstäblich den Himmel berührenden Wolkenkratzers gewonnen.

Seither – und das ist das Schicksal aller großen Architekturwettbewerbe – wird sein Entwurf Stück für Stück verändert und zerredet. Libeskind macht dabei keine gute Figur. Eingezwängt zwischen die populistische Politik von Bürgermeister und Gouverneur auf der einen und die Interessen des die Baurechte innehabenden Investors auf der anderen Seite, zeigt sich der Architekt mal kompromisslos, um dann wieder weitreichende Zugeständnisse zu machen. Nicht nur der ursprüngliche Hochhausentwurf ist bereits arg zurechtgestutzt worden.

„Ist Libeskind ein Masochist, oder ist er ganz einfach mehr Politiker als die Politiker?“, fragte der angesehene Architekturkritiker der Zeitschrift „New Yorker“, Paul Goldberger, Anfang Februar, nachdem der Wettstreit für ein Denkmal an Ground Zero entschieden worden war. Der Siegerentwurf scherte sich wenig um die Grundidee einer Vertiefung, die die Fundamente der zerstörten Doppeltürme umschließen sollte. „Es gibt noch immer keine Klarheit darüber, wie entscheidend der Masterplan Libeskinds ist und wie genau seine Richtlinien befolgt werden sollen“, bemängelte Goldberger.

Am vergangenen Mittwoch aber kam es für Libeskind noch härter. Michael Kimmelman, als Kunstkritiker der „New York Times“ eine Institution, hielt in einem ausführlichen Artikel über das Jüdische Museum Berlin mit Kritik an der Architektur – und mehr noch an der Dauerausstellung – nicht zurück.

„Das Jüdische Museum ist die Verkörperung von Kitsch und befriedigt das Sentiment der Masse“, so Kimmelmans harsches Urteil. Libeskind habe „eine formale Rhetorik des Leidens und des Unheils“ entwickelt, die „ebenso leicht auf Juden in Deutschland wie auf New Yorker an Ground Zero angewendet werden kann, wo sein Masterplan weitgehend dasselbe visuelle Vokabular verwendet. Ein Projekt hat das andere beworben und gerechtfertigt.“ Kimmelmans Fazit: „New York, pass auf: Weniger kann mehr sein. Substanz ist wichtiger als Spektakel oder sollte es zumindest sein.“

Daniel Libeskind, der strahlende Sieger von 2003, erfährt derzeit die Kehrseite der Mediengunst, die er bislang so selbstverständlich errungen hat. BS

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