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Konzerthaus: Deutsche Passion

Singakademie mit Bertolt Brecht und Paul Dessau im Konzerthaus: Es ist ein großes Verdienst der Berliner Singakademie unter ihrem Chef Achim Zimmermann und des Konzerthausorchesters, sich für dieses Werk mit Präzision und Liebe eingesetzt zu haben.

„O Deutschland, bleiche Mutter“: Mit dem Gedicht, das auch Eisler vertont hat, beginnt das erste große Gemeinschaftswerk von Bertolt Brecht und Paul Dessau: ein dreiteiliges „Deutsches Miserere“. Es steht im Schlagschatten des Krieges, ein Requiem für die Opfer, Stahlhelme säumen ihren Weg. Soldaten im Schnee. Chor: „Wann geht’s nach Haus, ihr zwei?“ Zwei Bassstimmen: „Wenn’s nicht mehr schneit.“ Unglaubliche Flötentöne.

Im Zentrum des Oratoriums, das im amerikanischen Exil, hauptsächlich in Brechts Haus in Santa Monica, entworfen wurde, entfalten sich 29 Epigramme aus Brechts „Kriegsfibel“, vom Autor auch „Photogramme“ genannt, weil sie von Fotos aus Tageszeitungen und Zeitschriften angeregt worden sind. Diese Bilder der Zerstörung werden zu den vertonten Vierzeilern auf eine Leinwand projiziert (Maxim Dessau), Szenen des „Dritten Reiches“: Hitler, Handlanger, Heerführer.

Was uns aber bis heute, hier und jetzt im Konzerthaus, viel mehr wehtut, sind die Momentaufnahmen derer, die den Befehlen zum Töten folgen mussten: „Und warum all das, Brüder?“ „Um zu leben.“

Gegen die Suggestivkraft dieser Szenen, die von geflüsterter Klage, Seufzermotiven und grellen Schmerzenstönen begleitet werden, fällt das Finale mit dem Wiegenlied für kantables Altsolo eher ab, schwacher Trost. Dessau hat es indes dem Andenken seiner in Theresienstadt ermordeten Mutter gewidmet. Dies wissend, hört man vielleicht anders. In beiden Teilen Deutschlands war das Werk als eine Auseinandersetzung mit dem Nazi-Faschismus nicht willkommen.

Herbert Kegel in Leipzig startete zwei Versuche, die westdeutsche Erstaufführung folgte in Hamburg am 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen. Das Deutsche Miserere reflektiert die Niederlage von 1933 an. Dessaus Partitur, ohne Violinen gesetzt wie auch seine Oper „Einstein“, dunkel getönt mit Blech und Schlagwerk, pendelt zumal in der „Kriegsfibel“ mit bedeutender Instrumentierung sehr beredt zwischen Monumentalem und Kammermusik.

Es ist ein großes Verdienst der Berliner Singakademie unter ihrem Chef Achim Zimmermann und des Konzerthausorchesters, sich für dieses Werk mit Präzision und Liebe eingesetzt zu haben. Die Chöre werden so deutlich skandiert, dass die Texte sich einprägen. Unter den Solisten dominiert Egbert Junghanns. Einen kleinen, feinen Auftritt hat der Mozart-Kinderchor.

Kriegsfibel, Deutsches Miserere: es klingt heute, als sei weniger ein Requiem daraus geworden als eine Passionsgeschichte. Eine Passion für die Nachgeborenen. 

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