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Vielseitiger Feingeist. Der Dirigent Philippe Herreweghe

© Michiel Hendryckx

Konzerthausorchester beim Musikfest Berlin: Musikalischer Triumph mit Dvořák

Philippe Herreweghe macht mit dem Konzerthausorchester Antonín Dvořáks „Requiem“ zu einem Höhepunkt des „Musikfest Berlin“.

Der Chor singt in Oktaven eine einfache, strenge Choralmelodie. Dazu bewegt sich orchestrales Klangkolorit. So klingt das „Dies irae“ (Tag der Rache) in dem Requiem für Soli, Chor und Orchester von Antonín Dvořák. Was fehlt, sind die schroffen Akzente des Schreckens, wie sie Hector Berlioz oder Giuseppe Verdi komponiert haben.

Es herrscht Innerlichkeit vor Opernhaftem. Und somit kommt diese Totenmesse besonders einem Dirigenten wie Philippe Herreweghe entgegen, weil er die Tugenden seiner Erfahrung mit Alter Musik und historischem Originalklang auf das Werk der Hochromantik übertragen kann: Klarheit und empfindsamen, vergeistigten Ausdruck.

Dvořáks letztes Chorwerk, uraufgeführt mit großem Erfolg unter Leitung des Komponisten 1891 in Birmingham, ist als Gastspiel des Konzerthausorchesters in der Philharmonie eine singuläre Bereicherung für das Musikfest. Das dunkle Gegenstück zum „Stabat mater“ des Komponisten erzwingt in Herreweghes Interpretation einen hohen Grad an Aufmerksamkeit des Publikums und gespannte Stille nach dem „Agnus Dei“, dem 13. Stück der umfangreichen, harmonisch farbigen Partitur.

Mahnend bis in den letzten Satz

Das Konzerthausorchester folgt mit vorbildlicher Beteiligung und seinem ganzen Können der nicht immer einfachen, aber bezwingenden Zeichengebung des flämischen Dirigenten. Horn, Flöte und Oboe flechten sich zu Beginn in ein Motiv ein, das, intoniert von den Violinen, Bedeutung für das ganze Werk gewinnt: Es ist ein kleines Halbtonthema von tieferer Bedeutung, eine Art von Todessymbol, mahnend bis in den letzten Satz.

Herreweghe hat sein Collegium Vocale Gent mitgebracht, ein von ihm selbst schon 1970 gegründetes Ensemble. In diesem Chor singen junge Talente aus ganz Europa Seite an Seite mit erfahrenen Kollegen. Die aparte Mischung, finanziell unterstützt durch die Flämische Gemeinschaft und die Stadt Gent, bezaubert mit Klangschönheit und interpretatorischer Sicherheit. Einstudiert hat sie in diesem Fall Edward Caswell. Der Chor ist jedem A-cappella-Satz gewachsen und jeder Steigerung. Der fugenähnliche Satz „Quam olim Abrahae“ (Welches du Abraham verheißen hast) fesselt in seiner beschwingten Lebendigkeit.

Sopran-Soli wie das „Lux perpetua“ (ewiges Licht) oder „Pleni sunt coeli“ (Voll sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit) singt Julia Kleiter mit glänzendem Ton. Das Vokalquartett wird von Sophie Harmsen, Maximilian Schmitt und Krešimir Stražanac mit gleichem Engagement ergänzt. Posaunen, Tuba und Pauke antworten einer einsamen Flöte. Die Instrumentierung Dvořáks triumphiert in dieser Aufführung. Vom Horn intoniert, bestimmt das wiederkehrende Halbtonmotiv die Aura der Musik von Trauer und Trost.

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