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Kultur: Konzerttipps von Jörg Königsdorf

Ein Star wird nicht geboren, sondern gemacht - das gilt für Klassik genauso wie für alle anderen Musiksparten. Allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Marktstrategen der Klassiklabels nicht im Wochenrhythmus der Charts kalkulieren, sondern Karrieren aufbauen, die über Jahrzehnte Bestand haben müssen, um sich zu rentieren.

Ein Star wird nicht geboren, sondern gemacht - das gilt für Klassik genauso wie für alle anderen Musiksparten. Allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Marktstrategen der Klassiklabels nicht im Wochenrhythmus der Charts kalkulieren, sondern Karrieren aufbauen, die über Jahrzehnte Bestand haben müssen, um sich zu rentieren. Meist sogar weit über das Ableben der Interpreten hinaus, deren diskografische Hinterlassenschaft dann zu jedem Gedenktag wieder in einer neuen Schmuckkassette mit dem Versprechen eines sensationellen Remastering verkauft werden kann. Einst marktführende Firmen wie die BMG scheinen inzwischen sogar zum größten Teil von der Wiederauflage ihres Back-Kataloges zu zehren - Namen wie Rubinstein und Toscanini ziehen beim Käufer offenbar immer noch weit stärker als lebendige Zeitgenossen.

Kühle Blonde

Vermutlich wird es in einigen Jahrzehnten auch einmal eine Christine Schäfer-Edition geben, und Deutschlands gehypteste Nachwuchsdiva als Elisabeth Schwarzkopf des 21. Jahrhunderts gefeiert werden. Wie keine andere deutsche Sängerin ihrer Generation ist Schäfer in den letzten Jahren zur frauenmagazintauglichen Trendfrau geworden. Als kühle Blonde mit Jean-Seberg-Frisur schaut sie von ihren CD-Covern, signalisiert selbst bei seelenschwerem romantischem Liedgut einen betont intellektuellen Zugang und die völlige Emanzipation vom innigen Vollblutgesang alter Schule. Zu den ästhetisch überfeinerten Kunstliedblüten Debussys und Ravels passt diese Coolness allerdings recht gut. Besser allemal als zu Mozart, der durchaus mehr Herztöne verträgt: Sowohl Schäfers "Entführung" auf CD wie ihr Live-Auftritt mit Mozart-Konzertarien bei den Philharmonikern gerieten nicht sonderlich überzeugend. Parallel zu ihrem gerade erschienenen Album mit französischen Liedern singt sie heute zusammen mit dem Londoner Nash-Ensemble Lieder von Ravel, Roussel und Strawinsky im Kleinen Saal des Konzerthauses, in eher beliebigen Programmzusammenhang gestellt mit Mozarts Klarinettentrio und Dvoraks Klavierquintett (11. 2.).

Warme Sopranfarben

Direkt nebenan im großen Saal tritt zur gleichen Zeit Schäfers wohl größte Konkurrentin um den Platz der "ersten Sängerin" (und in diesem Fall Direktkonkurrentin um die Konzertbesucher) an: Im Gegensatz zu Schäfer besitzt Juliane Banse freilich (noch)kein startaugliches Medienimage, das zeigt schon ein Vergleich des letzten Banse-CD-Covers mit einem Schäfer-Produkt: Während das Schäfer-Foto ohne Weiteres auch für eine Personality-Story im "Cosmopolitan" taugt, spricht das erzbetuliche Banse-Cover höchstens die Fans von Heimatromanen an: Von dem artigen Mädel, das da im weißen Kleidchen an einem Baum lehnt, erwartet keiner aufregende Mozart-Interpretationen. Obwohl er sie, ist die optische Hemmschwelle einmal überwunden, bekommt. Die bei der Firma Tudor erschienene CD mit Konzertarien, bei der Banse von ihrem Mann, dem Ex-Rektor der Hanns-Eisler-Hochschule, Christoph Poppen, begleitet wird, ist weit überzeugender geraten als Schäfers Mozart-Exkursionen und lädt die Miniszenen sowohl mit dramatischen Feuer als mit wärmeren Sopranfarben auf. Eine CD, die Appetit auf Banse-Mozart live macht. Bei ihrem Konzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester singt sie zwei der Konzertarien und Haydns groß angelegte "Berenice"-Kantate. Am Pult steht wiederum Poppen, der Gattin und Programm würdig mit Mozarts "Prager" und Haydns "Trauer"-Sinfonie rahmen wird (11. 2.).

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