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Kultur: Kopfball (7)

Moritz Rinke über grünen Tee und Größenwahn KLOOOOSE! Die letzte Kolumne habe ich so begonnen: „KLOOOSE!

Moritz Rinke über grünen Tee und Größenwahn

KLOOOOSE!

Die letzte Kolumne habe ich so begonnen: „KLOOOSE!“, also nur mit drei O. Jetzt habe ich ein weiteres Klose-O drangehängt, und ich bin gespannt, wie meine letzte WM-Kolumne beginnen wird. Nun, es ist gerade kurz nach zwei auf meiner Charlottenburger Schlossuhr, der ganze Innenhof guckt auch Fußball: Herr Remde, der Probleme mit den Augen hat, hört Info-Radio; die alte Hausmeisterrin, Frau Przskowa, 93 Jahre alt, hat ihr Fernsehgerät so laut aufgedreht, dass man durch ihre Lautsprecher quer durch den Innenhof bis in den vierten Stock hört, wie Metzelder in Ibaraki, nördlich von Tokio, den Ball von Robbie Keane gegen den Kopf geschossen bekommt. Die Kinder vom Kinderladen schießen in der Pause (1:0) gegen die Tür vom Kinderladen, schreien dabei KLOOOOOOOOSE, (schon mit acht O!). Eben war auch helle Aufregung, weil ein Kind so jubeln wollte wie Klose, und dann lag es wie Metzelder im Innenhof, und der Kinderarzt musste kommen. Das sind so Tragödien. Vielleicht sollte ich jetzt auch mal Herrn von Pilchau im zweiten Stock darauf hinweisen, dass seit ungefähr 45 Minuten sein Teewasser kocht, zumindest ist meine Scheibe schon ganz beschlagen, ich geh jetzt mal runter und klingele.

Das war ja ein schönes Bild: Pilchau saß im Wohnzimmer auf dem Teppich, vor ihm das Sonderheft von „Kicker" und er mit Filzstift am Rechnen. „Ich fürchte“, sagte er und setzte seinen Stift auf das Viertelfinalspiel in Ulsan, „ich fürchte, die Deutschen kommen sogar mit einem Sieg gegen Paraguay ins Viertelfinale!“ Dann haben Pilchau und ich noch grünen Tee zusammen getrunken, die Deutschen Bier, wir grünen Tee!, bis in die 80. Spielminute hinein, gewissermaßen auf die Iren, weil nichts schlimmer ist, als wenn hier morgen endgültig der Größenwahn ausbricht, meint auch Herr Pilchau im zweiten Stock.

In der 85. Minute eilte ich an meinen Schreibtisch zurück. Es dröhnte wieder aus Remdes und Przskowas Fenster durch den Hof, die Schlossuhr zeigt 15 Uhr 15 und um 15 Uhr 18 schoß Robbie Keane in Ibaraki die deutsche Welt wieder ins beruhigende Gleichgewicht.

Przskowa schaltete sofort ab, aber glauben Sie mir, Frau Przskowa, es ist besser so. Und der grüne Tee, lieber Pilchau, war grün wie die Iren und hat sehr gut geholfen. Was trinken wir demnächst für Kamerun?

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