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Kultur: Kostenberg: Bergab

Der Wind hat sich gedreht. Die "7 Hügel" mögen noch so lichte Höhen des Ausstellungswesens sein - ihren Kostenberg möchte niemand mehr erklimmen müssen.

Der Wind hat sich gedreht. Die "7 Hügel" mögen noch so lichte Höhen des Ausstellungswesens sein - ihren Kostenberg möchte niemand mehr erklimmen müssen. Nicht allein die Politiker haben sich abgewendet, mit ihrer Witterung für Stimmungswechsel; wohl alle, die in Berlin beruflich mit Kultur zu tun haben, halten die Mammutausstellung im Martin-Gropius-Bau mittlerweile für den Schwanengesang einer Epoche, die bereits nach dem Mauerfall vor zehn Jahren versunken, aber in West-Berlin besonders hartnäckig am Leben geblieben ist.

Am Leben? Sagen wir lieber: am Tropf. Am großen Tropf der Lotto-Stiftung nährte Festspiele-Chef Ulrich Eckhardt seine Hügel, bis sie zu einem stattlichen Gebirge herangewachsen waren. Was aus den üppig bemessenen Förderungsanträgen herausgekürzt wurde, bis "nur" mehr 28,9 bewilligte Millionen Mark übrig blieben, kehrt festwochenüblich durch die Hintertür der "unvorhergesehenen Mehrausgaben" zurück. Die Wartung all der motorisch-hydraulisch-elektronischen Installationen war viel aufwendiger als gedacht! Die Ausstellungsarchitekten - sieben an der Zahl - haben die Menge der Besucher unterschätzt, so dass fragile Aufbauten nachverstärkt werden mussten! Und überhaupt - sind die bis zum Ausstellungsschluss zu erwartenden 400 000 Besucher nicht eine alle Kritik hinwegfegende Größe?

Ja. Und nein. Gewiss sind 400 000 Besucher eine Menge; und sei es nur, weil die Berliner Lehrerschaft die Gelegenheit weidlich genutzt hat, die beliebten Wandertage in den Gropius-Bau zu verlegen. Doch die vollmundig versprochenen Einnahmen werden damit nicht erzielt, die Summe wurde bereits unmittelbar nach Eröffnung der "Hügel"-Landschaft von 15 auf vier Millionen Mark planiert. So zeichnet sich am Horizont ein Pro-Kopf-Zuschuss in der Region von siebzig und mehr Mark je Besucher ab. Die Gesamtkosten aber, die im Augenblick mit 31 Millionen Mark geschätzt und bis zur Schlussabrechnung gewiss nochmals wachsen werden, sind ein Signal: Die "7 Hügel" passen finanziell nicht mehr in die Landschaft. Der Kulturhaushalt des Landes Berlin ist derart auf das zum Überleben der Institutionen Notwendige ausgedünnt, dass ein zweistelliger Millionenbetrag für ein als Expo-Parallelspektakel konzipiertes Ereignis politisch nicht länger zu rechtfertigen ist.

Es fügt sich, dass die Ausstellung das Ende der felsenfest aus dem alten West-Berlin herüberragenden Ära Eckhardt markiert. Ende der achtziger Jahre erreichte die Event-Kultur ihren Berliner Gipfel, als 750-Jahr-Feiern und "Kulturstadt Europas" kaum noch Platz zur Versenkung weiterer Gelder in vermeintlichen Sommerlöchern ließen. Von dieser Ausgabenmentalität sind die Festspiele nicht mehr losgekommen. Das Festspielsystem wiederum ist ohne das Pendant der Lotto-Stiftung mit ihrer freihändig-feudalen Mittelvergabe nicht zu denken. Wer im Lotto-Beirat das Sagen hatte, war bislang der eigentliche Fürst des Berliner Kulturlebens. Doch der Herbst des Lotto-Schattenhaushalts ist angebrochen: Vom kommenden Jahr an wird der Anteil der frei verfügbaren Überschüsse per Senatsbeschluss um ein glattes Drittel eigeebnet. Spüren wird es die Kultur, die die im regulärten Haushalt längst nicht mehr auftauchenden Mittel für einzelne Projekte bislang vom Lotto erbettelte.

So wird denn lauter als je zuvor die Frage gestellt, was von den "7 Hügeln" bleibt. Ein Schutthaufen? Mögen auch einzelne Installationen an Berliner Uni-Institute oder Museen gehen - das Ereignis im Ganzen zeitigt keine bleibenden Spuren. Der Gropius-Bau, unter Eckhardts Ägide ein ums andere Mal mit fantasiereichen Einbauten gefüllt, wird so leer hinterlassen, wie ihn die "Hügel"-Baumeister vorgefunden haben. Aus den kumulierten Kosten, die die bisherigen Festwochen-Spektakel allein für Ausstellungsarchitektur aufgehäuft haben, hätte Berlin eine perfekt ausgestattete, für wechselnde Zwecke bespielbare Kunsthalle errichten können. Hätte! Wenn je ein Politiker, ein Lottobeirats-Nebenfürst gar, über das Papier eines verführerischen Festspiele-Zuschussantrags hinausgeblickt hätte. Dass die nackte Not nach Jahren der Verschwendung zu solcher Weitsicht drängt, ist noch die beste Botschaft am Ende der "7 Hügel". Man mag sie mit grimmiger Freude vernehmen. Aber der Wind hat sich nun einmal gedreht.

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