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Kultur: Krähwinkelheros

Immerhin fast 5000 Leute begaben sich nach Köpenick in die Wuhlheide, um sich trotz Dauerregens den Meister zu Gemüte zu führen.Und der ließ sich nicht lumpen mit der Zelebrierung eines Kultes, der so gut zu Deutschland paßt wie das Ausscheiden bei der Fußballweltmeisterschaft oder Gerhard Schröders Mutation zu jedermanns Liebling.

Immerhin fast 5000 Leute begaben sich nach Köpenick in die Wuhlheide, um sich trotz Dauerregens den Meister zu Gemüte zu führen.Und der ließ sich nicht lumpen mit der Zelebrierung eines Kultes, der so gut zu Deutschland paßt wie das Ausscheiden bei der Fußballweltmeisterschaft oder Gerhard Schröders Mutation zu jedermanns Liebling.

Daß die Auslobung des deutschen Schlagers zum Trend vor allem eine Rache der Provinz an den Metropolen ist, genießt dieser Held aus Krähwinkel in vollen Zügen.Denn dort begann die Karriere des Winzersohnes.Die Show rammelt die Standards von Udo Jürgens und Konsorten auf eine Manier herunter, daß die Differenz zu den Vorlagen am Ende doch keine Persiflage, sondern nur ein zeitgemäßes Outfit abgibt.Das Abtauchen in Refrain und Kitsch ändert durch das Line-Up einer Rockband nur wenig an der trübe verschlierten Gefühlswelt, die da bedient wird.

Guildo meint es ernst, wenn er das Publikum den Schlagerschwur ablegen läßt.Die Selbststilisierung als Wundertäter ist nur so lustig, wie es die Reproduktion eines Hypes zuläßt.Der Übertritt in den echten Trash findet nicht statt.Horst Köhler alias Guildo Horn überrascht nicht; was zum Beispiel Helge Schneider regelmäßig gelingt, will ihm nicht glücken.Die Show läuft so bieder ab wie die Konzerte von Michael Holm früher auch.

Welche Überraschung dagegen die Einheizer des Abends, The Clogs aus Potsdam! Da gehen Glanz und Gloria der 70er Jahre eine wüste Mischung ein.Karel Gott wird zur Deutlichkeit verzerrt.Der Schauder vor so viel Süßstoff im Schlager bleibt erhalten.Alte DDR-Rock-Schlager erleiden eine Demontage, die längst einmal fällig war.Dabei erspart der singende Schlagzeuger dem Publikum nicht, es für seinen schlechten Geschmack ordentlich zu beleidigen.Der meint auch das ernst, um gleich darauf den Glamour-Pop der Epoche mit Wut und Laune zu exekutieren.

Das passiert bei Guildo Horn nicht.Die auf die Bühne geworfenen Klo-Rollen erwischen ihn regelmäßig auf dem falschen Fuß.Viel lieber hat er die netten Blumensträußchen und die Nußecke von Regina.Das Publikum ist weiter als der Lehrling, der sich einen Meistertitel erschwindelt hat.

REINER SCHWEINFURTH

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