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Kultur: Krieg der Worte

Bodo Mrozek verfolgt die intellektuelle Debatte zum Irakkonflikt Die Intellektuellen und der Krieg – eine schwierige Beziehung. Blickt man in die Geschichte hinein, hinkten die jeweiligen Erklärungen, ob Zustimmungen oder Protest, meist hinterher.

Bodo Mrozek verfolgt die

intellektuelle Debatte zum Irakkonflikt

Die Intellektuellen und der Krieg – eine schwierige Beziehung. Blickt man in die Geschichte hinein, hinkten die jeweiligen Erklärungen, ob Zustimmungen oder Protest, meist hinterher. Jede Haltung eine Reaktion. Diesmal scheint alles anders. Selten ist ein Angriff auf ein Land so lange und so wortreich vorbereitet worden. Und was tun die Dichter und Denker? Der Leser des Feuilletons, zumal in Deutschland, hat sich an die Debatte gewöhnt wie der Fernsehzuschauer an die Nachmittagstalkshow. Mit derselben Regelmäßigkeit, wie dort HansGünther mit Mandy über Themen wie „Mein Mann hat zwei andere“ streitet, meldet sich das Debattenpersonal in den Zeitungen zu Wort. Doch dies ist keine Denkmal-, Rechtschreibe-, Preußen- oder Historikerdebatte. Diesmal geht es um den Krieg.

Dabei kämpft man vor allem auf Nebenschauplätzen. Über den kulturellen Antiamerikanismus zum Beispiel lässt sich gefahrlos und faktenfrei schwadronieren – der Beschäftigung mit der tatsächlichen politischen Lage lässt sich so elegant ausweichen. Wo sind die klugen, distanzierten Essays? Einige wohltuende Stimmen konnte man in den vergangenen Wochen durchaus vernehmen. Der irakisch-stämmige, deutsche Schriftsteller Sherko Fatah berichtete in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass irakische Freunde ihn öfter fragen, warum man in Deutschland ständig an der Existenz von Materialien zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen Zweifel hege. Die Deutschen hätten diese Materialien doch selbst geliefert.

Oder der amerikanische Romancier Louis Begley: Er lieferte (ebenfalls in der „FAZ“) eine kurze Geschichte des Antiamerikanismus. Interessanter als der kleine historische Abriss ist an Begleys Aufsatz die Distanz zum Kurs der Bush-Regierung und das vorsichtige Verständnis für die demonstrierenden Europäer.

Lügen in Zeiten des Krieges gehört zur Vorbereitung wie das Schmieden der Waffen. Der Publizist und Theatermann Ivan Nagel nutzte dieser Tage (in der „Süddeutschen Zeitung“) seine Sprachmächtigkeit zu einer scharfen Analyse der „Falschwörter“. Er weist auf die vorbereitende Rolle der Sprache hin und mahnt, beispielsweise nicht von „bewaffnetem Konflikt“ zu sprechen, wenn man doch einen Krieg meine und nicht von „Maßnahme“, wenn es um einen Bombenangriff gehe.

Der Sprachwissenschaftlerin Judith Butler verdanken wir die Einsicht, dass Sprache nicht nur aus leeren Worten besteht. Sprache kann ein körperlicher, performativer Akt sein. Beleidigende Worte können körperliche Reaktionen hervorrufen, ähnlich wie ein Schlag in die Magengrube. Gegen die Sprache der Kanonen allerdings erscheint das wirkende Wort nur wie ein Flüstern. Oft sind aber die geflüsterten Botschaften die wirklich wichtigen – und nicht die lautstark herausposaunten Parolen. Der Krieg der Worte hat längst begonnen.

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