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„9/11“-Teppich aus Pakistan

© Thomas Wild

Kriegsteppiche in der Bumiller Collection: 1000 Knoten

Auf seinen Reisen durch Karachi und Kabul stieß Till Passow auf Kriegsteppiche, die er nun in der Kreuzberger Privatsammlung Bumiller zeigt

Manche nehmen ihn zum Sitzen, andere hängen ihn als Schmuck an die Wand. Und einige lassen sich sogar zum Beten darauf nieder: „Kriegsteppiche“ nennt man sie salopp. Diese handgeknüpften Teppiche aus Afghanistan sind mit Granaten, Panzern, Helikoptern und traditionellen Ornamenten verziert, wie sie afghanische Nomaden seit Jahrhunderten knüpfen. Das zeigt die Ausstellung „Wie der Krieg auf den Teppich kam“ im Studio der Bumiller Collection in Kreuzberg.

Es handelt sich um die Teppichkollektion des Berliner Dokumentarfilmers Till Passow. Passow ist einer der Pioniere auf diesem Sammlungsgebiet. Gleich zu Beginn der Schau hängt ein „Kalaschnikow-Teppich“. Passow hat ihn so genannt. Die Teppiche sind Handwerkskunst, haben weder Autor noch Titel. Die beigefügte Beschriftung verrät, dass der Teppich in den 1980er Jahren von afghanischen Flüchtlingen in Pakistan geknüpft worden ist. Panzer sind darauf abgebildet, am rechten Rand ragt eine riesige Kalaschnikow in die Höhe. Das Sturmgewehr galt zur Zeit der Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion als Symbol des Widerstands.

Kampfflugzeuge neben harmlosen Bergwiddern

Passow hat 2002 bei einem Besuch in Karachi auf einem ähnlichen Exemplar geschlafen, ohne zunächst wahrzunehmen, dass neben harmlosen Bergwiddern auch Kampfflugzeuggeschwader abgebildet sind. Fasziniert von der erschütternden Knüpfkunst, begann Passow, auf den Basaren von Karachi, Lahore, Peshawar und Kabul nach Kriegsteppichen zu fragen. Er ließ sich die Bedeutung der Motive von den Händlern erklären. Was in die Teppiche eingeknotet ist, ist nämlich oft nicht eindeutig. Manche sind wie Bilderrätsel oder Comics. Etwa 70 Exemplare umfasst Passows Sammlung, vorwiegend Einzelstücke, 36 davon sind in der Ausstellung zu sehen.

Und wie kam nun der Krieg auf den Teppich? „Die meisten stammen von den Belutschen, Taymani, Turkmenen und Usbeken“, so Passow. Diese Gruppen stellen schon seit jeher Bildteppiche mit Alltagsmotiven her. Seit der sowjetischen Besatzung gehört der Krieg in Afghanistan zum Alltag und hielt auch Eingang in die Teppichproduktion. Kriegsteppiche dienten einerseits zur Mobilisierung: Passow nennt sie „geknüpfte Widerstandskunst“. Andererseits, oft in Flüchtlingslagern von einfachen Menschen gezeichnet und geknüpft, halfen sie wohl auch bei der Verarbeitung von Traumata.

Die "9/11"-Teppiche haben eine spezielle Geschichte

Die Ausstellung stellt neben dem „Kalaschnikow-Teppich“ einen kostbaren Belutsch in poppigen Rosatönen vor, der Märtyrergräber und Hubschrauber zeigt. Sogar Teppiche mit Menschendarstellungen sind dabei, trotz des Verbots im Islam. Eine spezielle Erscheinung ist der „9/11“-Teppich. Passow hat mehrere davon. Auf einem sind die Zwillingstürme zu sehen, zwei Flugzeuge fressen sich in die Flanken der Hochhäuser. Als Regionen in Afghanistan und Pakistan nach dem Anschlag vom amerikanischen Militär bombardiert wurden, wurden Flugblätter über den Gebieten abgeworfen. Das Motiv dieser Flugblätter ist in verschiedenen Abwandlungen in den Teppichen wiederzufinden. Die „9/11“-Teppiche wurden für den Verkauf an Westler gemacht, für Soldaten, NGO-Mitarbeiter, Journalisten“, sagt Passow. Sie verherrlichen nicht den Gewaltakt, sondern sind pro-amerikanische, kommerzielle Artikel, die sich gut verkaufen. Kein unwichtiger Aspekt, da viele afghanische Familien ihr Geld mit Teppichen verdienen.

Auch Passow bietet die Stücke aus seiner Sammlung zum Verkauf an. Hat er eine Weile mit ihnen gelebt, ist er bereit, sich von ihnen zu trennen, sagt er. Kleine Exemplare kosten um 250 Euro, aufwendigere Arbeiten zwischen 3000 und 5000 Euro. Kürzlich half Passow der Pinakothek der Moderne in München beim Start einer Sammlung von Kriegsteppichen, die inzwischen schwer zu finden sind. Kriegsteppiche sind zu begehrten Sammlerobjekten geworden.

The Bumiller Collection, Naunynstr. 68; Do–Sa 14–18 Uhr; Collectors Talk und Film Screening: 13. Juli (20 Uhr) mit Till Passow

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